: Kumpel im Hungerstreik
■ 15.000 Kali-Arbeiter in der DDR wollen mitmachen/ Streikende verlangen mehr Geld für Abfindungen
Berlin (adn/taz) — In der DDR hat sich gestern der Konflikt im Kalibergbau weiter zugespitzt. Seit Freitag morgen sechs Uhr sind 480 Kali- Kumpel in Rottleberode (Kreis Sangerhausen) und Straßberg (Kreis Quedlinsburg) in den Hungerstreik getreten. Die Bergleute der Fluß- und Schwerspat GmbH haben damit ihre am Vortag angekündigte Kampfaktion wahrgemacht. Spätestens am Montag wollen sich alle 15.000 Beschäftigten der Kali-Industrie dem Hungerstreik anschließen.
Unterdessen setzen die Kumpel der Südthüringer Kali- und Spatindustrie ihren Protest mit Straßensperrungen und Streiks fort. In einem Aufruf fordern die Beschäftigten der Fluß- und Schwerspat GmbH Trusetal, die ihre Grube besetzt halten, die Solidarität aller Bergleute.
„Der Hungerstreik in den Kali- Schächten dürfte Signalwirkung haben“, sagte gestern der Landesvorsitzende der IG Bergbau-Energie- Wasserwirtschaft in Sachsen-Anhalt, Dieter Bauerfeind. Auf die Barrikaden bringe die Bergleute vor allem, daß für Abfindungen der Volkskammerkammerabgeordneten „offensichtlich die Gelder vorhanden“ seien, für die Kali-Kumpel aber nicht, so Bauerfeind.
Der Gewerkschafter hatte am Donnerstag in Berlin eine Petition der Kali-Bergleute an die DDR-Regierung übergeben. Unterdessen versicherte Ministerpräsident de Maizière, sich persönlich um das Problem zu kümmern. Angehörige der Trusetaler Fluß- und Schwerspat GmbH hatten ihm gestern ein Schreiben mit der Forderung nach sozialer Gleichstellung aller Bergleute der DDR überreicht. Auch dem Bonner Bundeskanzleramt hatten Abgesandte einen Brief überbracht. Die Arbeitnehmer appellieren an Kohls „Verantwortungs- und Pflichtgefühl“. Es gehe ihnen nicht darum, auf Kosten anderer zu leben, sie wollten nur eine Chance zur Mitarbeit, heißt es in dem Schreiben.
Die Hungerstreikenden verlangen, daß im Nachtragshaushalt auch die Kali-Bergleute berücksichtigt werden. 220 Millionen DM müßte die Regierung aufbringen, um die geforderten Abfindungen für die 15.000 bis 18.000 Beschäftigten der gesamten Kali-Industrie zu zahlen.
Die hungerstreikenden Kumpel in Rottleberode und Straßberg wollen trotz der Kampfmaßnahmen die Produktion aufrechterhalten. Die Kali- Beschäftigten fordern für die krisengeschüttele Branche ähnliche Lösungen, wie sie für die Bergleute der Wismut und des Mansfelds gefunden worden waren.
Siehe Kommentar Seite 10
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