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Kulturkurze: Herbert von Karajan

Wer wird Karajan-Nachfolger? Vielleicht erfahren wir die Antwort nach der heutigen Orchesterversammlung der Berliner Philharmoniker, meldet dpa. Allerdings handelt es sich um eine Routine-Versammlung, aus Orchesterkreisen verlautet, daß keineswegs so schnell über eine Nachfolge entschieden wird. Offen ist u.a. die Frage, ob sich die Musiker für eine Zwischenlösung oder gleich für einen endgültigen Kandidaten entscheiden werden. Die einen wollen die Nachfolgefrage „nicht zu lange hinausschieben“, die anderen sind nach den schlechten Erfahrungen mit Karajan dafür, sich für die Entscheidung Zeit zu nehmen. Karajan hat in der Zwischenzeit sämtliche Gastspiele abgesagt: die traditionelle Festspieleröffnung im August in Salzburg und danach Luzern, für die Salzburger Osterfestspiele 1990 hat Karajan die Wiener und das Chicago Symphony Orchestra mit Barenboim vorgesehen. Die Dirigenten, die derzeit als mögliche Nachfolger kursieren, sind übrigens fast ausnahmslos bei der weltweit größten E-Musik-Agentur, der CAMI, mit der Karajan seine Geschäfte macht, unter Vertrag: Levine, Muti, Haitink, Kleiber, Abbado. Maazel ist zwar unabhängig, hat aber gute Verbindungen zur CAMI. Und der ebenfalls unabhängige Barenboim wird wohl kaum Chef werden, denn er ist schon Chef in Chicago - zwei Jobs, die sich kaum vereinbaren lassen. Die Tatsache, daß Levine in der 'New York Times‘ bereits als Favorit gehandelt wird, hat übrigens einen pikanten Hintergrund. Managing Editor der Zeitung ist Arthur Gelb, sein Sohn, Peter Gelb, ist Vize-Präsident der CAMI und Präsident von CAMI-Video. Levine ist schon lange ein besonderer Schützling von CAMI und Karajan. In der Zwischenzeit hat sich auch der Regierende Walter Momper zu einem devoten Brief an Karajan herabgelassen: Von „Leidenschaft, Ideenreichtum und höchster Präzison“ ist die Rede, von „Spitzenleistungen“, „Bewunderung“ und „künstlerischer Verbundenheit mit der Stadt Berlin“. Kein Wort über Karajans Schikanen und Vertragsbrüche, die zu kritisieren Momper als Oppositionspolitiker keine Probleme hatte. Karajan freut sich in seiner Antwort - „Hochverehrter Herr Regierender“ - zwar tiefbeglückt über die „Einfühlung aus dem Rathaus Schöneberg“, auf Mompers Wunsch nach einem Konzert in Berlin geht er allerdings mit keinem Wort ein.

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