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Kulturkürzungen in BerlinKai Wegner gibt Mentalitätstipps

Der Regierende Bürgermeister findet, die Kulturszene solle sich bei den Kürzungen im Haushalt nicht so anstellen. Grüne und Linke sind fassungslos.

„Ich frage mich schon, ob Karten so preiswert angeboten werden müssen“: CDU-Senatschef Wegner bei einer Gala im vergangenen Jahr Foto: Imago/APress

Berlin taz | Es geht um Arbeitsplätze, um Einsparungen am Programm, bei einigen Einrichtungen um die Existenz: Berlins Kulturszene steht Kopf, seit CDU und SPD vor gut zwei Wochen ihre „Konsolidierungsliste“ für das kommende Haushaltsjahr vorgestellt haben. Erst am Freitag demonstrierten in Mitte wieder rund 2.500 Menschen gegen die „drastischen Kürzungen“ bei Kunst und Kultur – mehr als zehnmal so viele, wie von den Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen des „Trauermarschs“ angemeldet wurden.

CDU-Senatschef Kai Wegner lässt sich davon wenig beeindrucken. „Ich glaube, wir müssen wegkommen von der Mentalität: Wir brauchen mehr Geld vom Staat“, erklärte der Regierende Bürgermeister am Wochenende mit Blick auf die rund 130 Millionen Euro, die im Etat der Senatskulturverwaltung 2025 gestrichen werden sollen.

Angesichts des auch ohne diese Gelder noch eine Milliarde großen Kulturhaushalts sei das erstens kein Beinbruch. Und zweitens könnten insbesondere die Theater und Opernhäuser künftig auch einfach „mehr auf Wirtschaftlichkeit und Eigenverantwortung achten“.

Konkret nannte Wegner die angeblich zu niedrigen Ticketpreise. Er zumindest frage sich, „ob Karten bei bestimmten Bühnen so preiswert angeboten werden müssen“. Ob es richtig sei, „dass die Verkäuferin im Supermarkt, die wahrscheinlich eher selten in die Staatsoper geht, mit ihrem Steuergeld diese Eintrittskarten allesamt mitsubventioniert“.

„Kultur ist das, was diese Stadt ausmacht“

Manuela Schmidt sagt, sie machten solche Sätze fassungslos. Statt eines Mentalitätswechsels in den Theatern erwarte sie einen Mentalitätswechsel bei Kai Wegner und seinem CDU-Kultursenator Joe Chialo, so die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Was glauben die denn? Kultur ist doch nicht etwas, was man mit ökonomischen Begriffen bewerten kann, Kultur ist das, was diese Stadt ausmacht“, sagte Schmidt am Sonntag zur taz.

Letzteres sei komplett richtig, so der Sprecher für Kulturfinanzierung der Grünen-Fraktion, Daniel Wesener. Die Frage der Wirtschaftlichkeit lasse sich dabei allerdings sehr wohl stellen. Er habe nur das Gefühl, dass es in dieser Hinsicht beim Regierenden „ein großes Unwissen gibt“, sagte der ehemalige Finanzsenator zur taz.

Kultur sei immerhin „ein wesentlicher, auch wirtschaftlicher Standortfaktor“ für Berlin. „Dass dieser Kausalzusammenhang von der selbst ernannten Wirtschaftspartei CDU nicht gesehen wird, das finde ich schon bemerkenswert.“

Nicht minder bemerkenswert sei Wegners Verweis auf die an Opern desinteressierte Supermarktkassiererin, wegen der es auch keinen Grund gebe, Tickets weiterhin „so preiswert“ anzubieten. Konsequent zu Ende gedacht, bedeute das vor allem eines, so Wesener: den Abschied vom Anspruch auf kulturelle Teilhabe, unabhängig vom Portemonnaie. Kultur sei „dann tatsächlich nur noch etwas für die, die es sich leisten“ könnten: „Der Neoliberalismus der Nullerjahre lässt grüßen.“

Kai Wegner ficht das nicht an. Vielleicht gebe es noch Umschichtungen im Etat von Kultursenator Joe Chialo, an den Kürzungen sei aber nicht mehr zu rütteln. Und überhaupt: Auch ohne die 130 Millionen sei das „immer noch der höchste Etat seit dem Mauerfall“.

Tatsächlich gehört die Senatskulturverwaltung zu den großen Verlierern der jüngsten Sparrunde. Dem Vernehmen nach soll Chialo zu Beginn der Verhandlungen von sich aus sogar mehr als das Doppelte des jetzt in Rede stehenden Kürzungsbetrags in den Topf geworfen haben. Das, heißt es aus der Koalition, sei selbst den nicht sonderlich kulturaffinen Chefverhandlern zu rabiat gewesen.

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1 Kommentar

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  • einfach widerlich, prekär beschäftigte supermarktverkäuferinnen gegen prekär beschäftigte theaterangestellte auszuspielen, während man sich den wahlkampf von gröner finanzieren läßt, für 123.000 € nach usa jettet, um stadtentwicklung zu simulieren, und dabei zusieht, wie sich vonovia, adler group, hedera und co. auf kosten der berliner mieter*innen die taschen voll machen