Kulturinstitute gegen Anti-BDS-Beschluss: „Gefährliche Logik des Boykotts“

Zentrale Kulturinstitutionen lehnen den BDS-Beschluss des Bundestags ab. Der Israelboykott sei zwar falsch, der Beschluss verenge jedoch den Diskurs.

AnhängerInnen der BDS-Bewegung vor dem Berliner Reichstag im Mai 2019

AnhängerInnen der BDS-Bewegung vor dem Berliner Reichstag im Mai 2019 Foto: F.Boillot/imago

BERLIN taz | Das Deutsche Theater, unweit des Bundestages gelegen, ist ein Art Haustheater der Berliner Republik. Auf dem Spielplan stehen oft Stücke wie von Schirachs Politdrama „Terror“, über das nach der Aufführung auch mal Minister diskutieren. Man spielt hier gern der Politik ihre eigene Melodie vor. Die Initiative „GG 5.3. Weltoffenheit“ hat diesen Ort nicht zufällig gewählt.

Am Donnerstagmorgen stehen VertreterInnen zentraler Kulturinstitutionen der Republik auf der Bühne und melden Protest gegen den Anti-BDS-Beschluss des Bundestags an: LeiterInnen und IntendantInnen unter anderem vom Goethe-Institut, vom Humboldt Forum im Berliner Schloss, vom Wissenschaftskolleg sowie des Hauses der Kulturen der Welt.

In ihrem Plädoyer schreiben sie: „Die Anwendung der BDS-Resolution des Bundestags bereitet uns große Sorge.“ Man lehne „den Boykott Israels durch den BDS ab“, halte aber „die Logik des Boykotts, die die BDS-Resolution des Bundestags ausgelöst hat, für gefährlich“.

Zudem warnen die UnterzeichnerInnen vor der „missbräuchlichen Verwendungen des Antisemitismusvorwurfs“. Und sie kritisieren, dass die demokratische Öffentlichkeit leide, „wenn wichtige lokale und internationale Stimmen aus dem kritischen Dialog ausgegrenzt werden sollen, wie im Falle der Debatte um Achille Mbembe zu beobachten war“.

Gegen den Boykott Israels, gegen die BDS-Resolution

Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, sieht durch das faktische Verbot, global mit BDS-AnhängerInnen kooperieren zu dürfen, die Grundlage der Arbeit des Instituts bedroht. Das Institut öffne im Sinne „kultureller Realpolitik“ Gesprächskanäle auch und gerade zu missliebigen Auffassung.

Ebert fordert daher eine Überprüfung des Bundestagsbeschlusses. Hartmut Dorferloh, Chef des Humboldt Forums, betont, dass seine Arbeit global offen und ohne Selbstzensur stattfinden müsse und bringt das Interesse der Institutionen praktisch auf den Punkt: „Wir wissen nicht, wen wir noch einladen dürfen.“

Hortensia Völckers, Leiterin der Kulturstiftung des Bundes, sekundiert mit dem Argument, dass der Bundestag mit dem BDS-Beschluss eine „rechtliche Grauzone“ geschaffen habe, die die Arbeit behindere. Selbstzensur in seinem Institut beobachte zudem Thomas Krüger, Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung.

Der BDS-Beschluss des Bundestags von 2019 sei ein Zeichen, dass „die deutsche Vergangenheit den Blick auf die israelische Gegenwart“ zu verstellen drohe, denkt Susan Neiman, amerikanische Jüdin und Leiterin des Einstein Forums. Amelie Deuflhard, Leiterin vom Kampnagel, sieht ein wachsendes „Klima von Misstrauen und Angst“. Und der Rechtsprofessor Christoph Möllers warnt vor einem Missbrauch des Antisemitismusvorwurfes.

„Klima von Misstrauen und Angst“ entstehe, so Deuflhard

Es ist äußerst ungewöhnlich, dass Institutionen, die nicht nur staatlich finanziert werden sondern, wie das Goethe-Institut, die Bundesrepublik auch repräsentieren, einmütig einen Beschluss des Bundestags kritisieren. Die Institutionen, die sich zu der Initiative bekennen, wollen künftig die eigene Arbeit für jene durch den Anti-BDS-Beschluss eingeschränkten Diskurse öffnen.

Realpolitisch setzt man auf Dialog mit der Politik. Barbara Stollberg-Rilinger, Leiterin des Wissenschaftskollegs zu Berlin, sieht darin inzwischen gute Chancen. Gespräche hätten gezeigt, dass manche PolitikerInnen heute zweifeln würden, ob der Beschluss richtig war.

Die Initiative sei auch mit einem energischen Fürsprecher des Anti-BDS-Beschlusses in Kontakt: Felix Klein, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung. Am Mittwoch debattieren Barbara Stollberg-Rilinger und Felix Klein im Deutschlandradio über das Thema. Auch bei Klein, so die Hoffnung, gebe es inzwischen Bewegung.

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