: Kulturfreaks tanzen um zugeknöpfte Stadtsäckl
■ Mit dem Paderborner „Landespaukenschlag“ machten NRW–Kulturzentren vor 1200 Gästen auf ihre Fiananznot aufmerksam
Von Corinna Kawaters
Paderborn (taz) - Während am vergangenen Sonntagmittag in Paderborn die Kirchgänger schon beim Mittagessen waren, saßen die Organisatoren des „Landespaukenschlags“ noch am Frühstückstisch. In der gutbürgerlichen Schützenhalle, wo sich am Vorabend noch 1.200 Besucher während des Abschlußfests gedrängt haben, gibt es die erste Manöverkritik bei Kaffee und Bio–Brot. Die nordrhein–westfälische Landesarbeitsgemeinschaft der soziokulturellen Zentren (LAG) präsentierte am vergangenen Wochenende ein Aufgebot von einem runden Dutzend Musik–Theatern und Kleinkunstgruppen, eine Podiumsdiskussion und ein Riesen– Abschlußfest. Anwesend und beteiligt waren Macherinnen und Macher aus etwa 20 nordrheinwestfälischen Kulturzentren, wie beispielsweise das ZAK aus Köln und Druckluft aus Oberhausen, die Altstadtschmiede aus Recklinghausen und der Bahnhof Langendreer, Bochum. „Die Organisation war prima, und das Wetter war gut“, darin sind sich Wolle Gojdka von der Zeche Carl, Willy Ernst aus Paderborn und Peter Vermeulen aus Unna einig. Einig sind sie sich auch darin, daß es im Grunde ein Kulturrummel war, „der kaum die Kultur gezeigt hat, die den Zentren eigen ist“, wie Wolle Gojdka bedauernd sagt. „Uns ist es leider nicht gelungen, der Stadt unseren Stempel aufzudrücken „, findet auch Willi Ernst. Dabei war das die erklärte Absicht der Organisatoren, denn der Paderborner CDU–Stadtrat macht den Betreibern des Kultur– und Kommunikationszentrum KUKOZ das Leben schwer. So war Paderborn als Veranstaltungsort ausgewählt worden, als sich Anfang des Jahres herausstellte, daß der finanzielle Beitrag des Landes NRW zur Zentrumskultur sowieso für wenig mehr als ein Fest reicht. Zur Finanzierung sämtlicher Projekte standen nämlich nur 150.000 Mark zur Verfügung. Um Situation, Stellenwert und Finanzierung der Zentren drehte sich auch die Podiumsdiskussion am Samstagabend. Aber den Ministerialbeamten, die sich die LAG als Gesprächspartner ausgesucht hatte, gelang es, sich auf ihre Richtlinien zurückzuziehen und sich aus der Verantwortung für die schlechte ökonomische Situation der Zentren herauszustehlen. „Die sagen doch sowieso nur, daß ihnen leider die Hände gebunden sind“, ärgert sich Willi Ernst. Unterstützung von den beiden großen Parteien erhalten die Zentren nur in offiziellen Absichtserklärungen. Auf kommunaler Ebene wird eher gegen sie gearbeitet, stellen die drei Aktivisten fest. Da hat die SPD– Bundestagsfraktion zwar 1985 an den Bundestag appelliert, die Zentren zu unterstützen, und für die CDU hat Kurt Biedenkopf hat April 86 eine flammende Rede zugunsten des „bunten Völkchens“ gehalten. Doch weder das Eschhaus aus der SPD–regierten Stadt Duisburg noch das KUKOZ aus der CDU–Bastion Paderborn können in diese Lobeshymnen einstimmen. So liegt dem Eschhaus die Vertragskündigung seitens der Stadt vor (die taz berichtete), und das KUKOZ hat schon gar keine Räume mehr und arbeitet seit dem Frühjahr mit Hilfe von Notquartieren weiter. Als nächsten Schachzug will der Paderborner Stadtrat versuchen, dem Trägerverein die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, um sich des Problems endgültig zu entledigen. Nach dem Motto „die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ will die SPD jetzt in einigen Städten eigene Zentren aufbauen, „aber da ist schon abends um acht nix mehr los“ beschreibt Peter Vermeulen seine einschlägigen Erfahrungen mit der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld. In Paderborn dagegen, beim Landespaukenschlag, während die Organisatoren/innen den späten Morgenkaffee schlürfen, ertönen aus der Veranstaltungshalle schon die Klänge der Acoustic Groove Band, und die Punker versuchen schon wieder die ersten Tanzschritte.
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