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„Kultur in einem anderen Südafrika“

■ Auf dem von der niederländischen Anti–Apartheid–Bewegung veranstalteten Südafrika–Festival in Amsterdam präsentieren 200 südafrikanische Künstler eine „Kultur ohne Apartheid“ / Abkehr von striktem Kulturboykott / „Der Boykott gilt dem Apartheid–System, aber nicht dem Volk“

Von Wim Bossema

Amsterdam (ips) - „Culture in Another South Africa“, kurz CASA, so lautet das Motto eines Kulturfestivals, das bis kommenden Sonntag in Amsterdam ein Aufgebot von Musikern, Schriftstellern und Schauspielern auf die Bühne bringt, das in dieser Zusammensetzung bisher weder in Südafrika noch sonst irgendwo auf der Welt zu sehen oder zu hören war. Südafrikanische Schriftsteller von Weltrang wie Breyten Breytenbach (“Bekenntnisse eines Albino–Terroristen“) und Andre Brink (“Die Nilpferdpeitsche“) sind in Amsterdam ebenso vertreten wie die im Ausland weniger bekannten Dichter schwarzer Hautfarbe Verny February und Farouk Asvath. Der Pianist Abdullah Ibrahim (Dollar Brand) und die Sängerin Letta Mbulu sind zwei weitere von insgesamt 150 Künstlern, die die niederländische Anti– Apartheid–Bewegung (AAB) für das bislang einmalige Unterfan gen gewinnen konnte. Einmalig ist das Amsterdamer Festival vor allem insofern, als die Führung des in Südafrika verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) bisher für die strikte Isolierung des weißen Minderheitsregimes eingetreten war. Neben der Forderung nach Wirtschaftssanktionen gegen Pretoria galt diese Strategie vor allem für die Bereiche Sport und Kultur. Organisationen wie die niederländische AAB verfochten den „Kulturboykott“ und beschränkten sich auf Kontakte mit südafrikanischen Künstlern, die im Exil leben. Mit der Zeit habe jedoch eine Art Umdenken unter den Apartheid–Gegnern begonnen, berichtet die niederländische AAB–Vorsitzende Connie Braam. „Der Boykott gilt dem Apartheid–System, aber nicht dem Volk.“ Den Ausschlag zugunsten einer weniger rigorosen Handhabung des Kulturboykotts gab Anfang des Jahres eine Kontroverse um den US–Sänger Paul Simon, als der Texter und Komponist seine LP „Graceland“ mit südafrikanischen Musikern in Südafrika produzierte. Der harschen Kritik wegen Verletzung des Kulturboykotts brach Simon selbst die Spitze ab, indem er öffentlich das System der Rassentrennung verurteilte. Die Front der Apartheid–Gegner war versöhnt. Simons Auftritt in Simbabwes Hauptstadt Harare wurde ein Triumph. In Sachen Kulturboykott hat sich seit „Graceland“ eine differenzierte Haltung herausgebildet, sagt Verny February. Der südafrikanische Literaturkritiker und Dichter lebt seit 1964 in den Niederlanden im Exil. Die „Waffe“ des Boykotts habe zu Recht die weiße Minderheit treffen sollen. „Aber sie traf bald mehr die Künstler schwarzer Hautfarbe, in Südafrika und im Exil.“ Die ältere im Exil lebende Schriftstellergeneration, so February weiter, „kam nicht mehr zurecht mit dem, was sich unter den Dichtern von Soweto unter dem Stichwort Schwarzes Bewußtsein entwickelte. Aber eine Mög lichkeit, miteinander in Kontakt zu treten, gab es nicht.“ Für die Liebhaber der Kultur des „anderen Südafrika“ gab es kaum noch einen Weg vorbei an der Vielzahl „authentischer Stimmen“, die sich aus dem Apartheid– Staat zu Wort meldeten. Was aber ist authentisch, was nicht? Die Situation in Südafrika ist zu komplex, als daß es darauf eine einfa che Antwort gäbe, sagt der Lyriker February. Die Tanzgruppe „Ipi Tombi“ etwa präsentierte sich bei einer Europa–Tournee als Vertreter einer echten „eingeborenen“ Kultur. Weil die Reise von Pretoria finanziert worden war, wurde „Ipi Tombi“ geschnitten. Die meisten Mitglieder der Truppe hätten darauf nur mit Verbitterung zu reagieren gewußt. Die Veranstalter des Festivals in Amsterdam, die niederländische AAB, ist sich der Gefahr bewußt, ungewollt in die Rolle des Zensors zu geraten. Connie Braam hält dieses Risiko gleichwohl für gering. „Wir maßen uns kein Urteil über die Arbeit eines Künstlers an. Aber seine politische Position ist für uns schon maßgeblich.“

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