: Kultur-Schocks
■ AIDS-Aufklärung als kulturhistorisches Phänomen Prinzessin auf dem Kondom
Beinahe wäre der japanische Delegierte über das sechs Meter lange Kondom gestolpert, das die Dänen auf dem Boden ihrer Ausstellungsfläche in Poster- Form ausgebreitet hatten. Solch explizite AIDS-Aufklärung hatte der Mann noch nie gesehen, wo doch sein Heimatland auf der Ausstellung über die internationalen AIDS-Kampagnen nur mit einem keusch-küssenden Paar bei Sonnenuntergang vor den Gefahren des AIDS-Virus warnte. Auch andere Länder hatten noch sichtliche Probleme mit der Verbreitung der lebensrettenden Botschaft. In der katholischen Karibik lautet das Rezept schlicht: „Familienleben, Liebe und Treue.“
Origineller sind da schon die Kondomkampagnen zu SIDA, der spanischen Abkürzung von AIDS. Hatte die Dame am Stand Mexikos am Eröffnungstag Prinzessin Anne mit der Überreichung eines als Schlüsselanhänger getarnten Verhüterlis sichtlich geschockt, so war auch die Botschaft der zwei auf den spanischen Plakaten turtelnder Cartoonfiguren eindeutig: Zähneputzen okay, Vögeln aufgepaßt! Den größten Andrang erlebten die Dänen. Vor der Liebesszene inklusive Kondomanlegen auf dem Videoschirm am dänischen Stand bildeten sich regelmäßig lange Schlangen aufklärungsbedürftiger AIDS-Experten. Glanzstück der dänischen Kampagne ist jedoch die AIDS-Version von „Prinzessin auf der Erbse“ für Kinder und solche, dies bleiben wollen. Nicht die bekannte Hülsenfrucht, sondern das Kondom unter dem Stapel von Matrazen beweist dem Prinz, daß sie eine richtige Prinzessin und der Liebe würdig ist.
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