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Kult oder Kohle?

■ Umzug ins Volksparkstadion: 300 Fans und Präsidium des FC St. Pauli diskutierten – aber ohne „Papa Heinz“

Zunächst gab es schon einmal einen Vorgeschmack darauf, was die Fans des FC St. Pauli im kommenden Jahr im Volksparkstadion erwarten wird – es gab kein Bier. Nachdem dieses Problem dann aber vorerst gelöst worden war, konnte die Podiumsdiskussion über das Für und Wider eines viermaligen Umzugs der Millerntor-Kicker in die ungeliebte Bahrenfelder Betonschüssel beginnen.

Über 300 Anhänger füllten am Mittwoch abend den großen Fest-saal im Haus des Sports bis auf den letzten Platz. Einer fehlte allerdings – Präsident Heinz Weisener. Papa Heinz nahm wegen „arbeitsmäßiger Überlastung“ nicht an der Diskussion teil, ließ aber „Grüße“ ausrichten. So waren die beiden Vizepräsidenten, Christian Hinzpeter und Horst Niewiecki, auf sich allein gestellt, als sie versuchten, den Fans die Gründe für den Umzug näher zu bringen – mit mäßigem Erfolg. Die Fronten blieben verhärtet: Die Vereinsführung braucht Geld, die Fans wollen Spaß.

Als Grund für den Umzug führte das geschäftsführende Präsidiumsmitglied Hinzpeter die Beitragserhöhung für die Berufsgenossenschaft der Profi-Kicker an. Diese sei rückwirkend zum 1. Januar 1995 um das Siebenfache auf 2,1 Millionen Mark erhöht worden, wie Schatzmeister Niewiecki vorrechnete: Deshalb sei St. Pauli auf zusätzliche Einnahmen angewiesen. „Entweder wollen wir ein Kultverein in der dritten Liga werden oder in der Bundesliga sportlich mithalten“, malte Hinzpeter die Zukunft vorwiegend düster aus.

Der Umzug ins größere Volksparkstadion bei den Partien gegen Bayern München, den HSV, Rostock und Dortmund soll eine Mehreinnahme von 2,7 Millionen Mark bringen. Hierbei kalkuliert der Verein mit durchschnittlich 45 000 Zuschauern, eine Zahl die im Saal vorwiegend höhnisches Gelächter auslöste. „So viele Fans hat Hansa Rostock gar nicht“, wußte ein Zwischenrufer.

„Diese Kalkulation ist sehr optimistisch“, befand auch Heinz Brauner von der Arbeitsgemeinschaft interessierter MitgliederInnen (AGiM), die die Diskussionsveranstaltung vom Präsidium gefordert hatte. Brauner schlug vor, daß sich der Verein statt eines Umzugs besser intensiver um zusätzliche Sponsoren bemühen solle. Daß die Veranstaltung überhaupt stattfand, freute AGiM-Sprecher Holger Scharf, der allerdings den Zeitpunkt kritisierte: „Inzwischen ist das letzte Wort über die Verlegung ja schon gefallen.“

Eine Tatsache, die mehrfach angesprochen wurde. Ebenso der Fakt, daß die meisten Zuschauer nicht gerade wegen sportlicher Höchstleistungen zum FC St. Pauli pilgern: „Der Verein lebt von der Kultur seiner Anhänger“, sagte Vereinsmitglied Uwe Doll, „die entfaltet sich nur am Millerntor und ist nicht auf den Volkspark übertragbar.“

Zum Abschluß mahnte Hinzpeter zu mehr Einheit. „Die Ablehnung gegen den Volkspark ist eine gemeinsame. Ich bitte Euch, uns trotzdem dorthin zu begleiten.“ Dieser Aufruf stieß auf keine besonders große Resonanz: Bei einer Abstimmung meldeten lediglich 29 Anhänger ihr Interesse an, St.-Pauli-Spiele in Bahrenfeld besuchen zu wollen. Die überwiegende Mehrheit bevorzugte dagegen die Idee einer Radiopaadie am Millerntor, deren finanzieller Überschuß dem Verein zur Verfügung gestellt werden soll. Torsten Schlemm

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