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Kulanz zahlt sich aus

■ Die Windenergiebranche verläßt ihre Nischen. 90 Prozent des angelegten Geldes ist meist gesichert. Dennoch gibt es alternative Restrisiken. Investitionen müssen genau geprüft werden

Die Stimmung beim Bonner Neujahrsempfang des Bundesverbandes Windenergie (BWE) hätte nicht besser sein können. Mehr als 6.000 installierte Windanlagen in Deutschland, eine Wachstumsrate von 38 Prozent, die Einprozentmarke bei der Energieversorgung überschritten, volle Auftragsbücher für das laufende Jahr und blendende Perspektiven für die Jahrtausendwende, zumal der Bundeswirtschaftsminister lieber beim BWE auftrat als beim Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) in Köln.

Kein Zweifel: Die Windenergiebranche verläßt ihre Nische. Und dazu gehört, daß seit Ende 1997 über Planungsstandards und Finanzierungsgebahren gestritten wird. Denn nach den schlechten Erfahrungen mit der Hanseatischen Aktiengesellschaft, die über eine Milliarde Mark Anlegergelder zum Teil auch mit Windfonds in den Sand gesetzt hatte, ist man vorsichtig geworden. Seriosität ist seitdem angesagt, Information und Risikominderung werden groß geschrieben. So wenigstens im Normalfall.

Am Jahresende 1998 jedoch war alles anders. Bis zur letzten Minute herrschte Hochbetrieb bei den Vertriebsabteilungen der Windplaner, um noch die alten Abschreibemöglichkeiten nutzen zu können. Wo eine Steuerreform droht, ist der Investitionswille groß. Windenergiefonds sollten es vor allem deshalb sein, weil von der neuen Regierung eine besonders intensive Unterstützung der erneuerbaren Energien erwartet werden konnte und kann.

Innerhalb weniger Wochen, teilweise sogar Tagen, wurden Windfonds am Markt plaziert, für die die Vertriebe sonst Monate einkalkulieren. Und je näher das Jahresende rückte, desto hektischer wurde das Geschäft. Mittlerweile ist es wieder etwas ruhiger geworden. Ein böses Erwachen kann es aber auch jetzt noch für viele Anleger geben, die ihre Schäfchen schnell noch ins Trockene bringen wollten. Denn die Verlustzuweisung 1998, von der sich viele eine deutliche Minderung ihrer Steuerlast versprechen, ist an Bedingungen geknüpft. Zum Beispiel daran, daß der Windpark, in den investiert worden ist, tatsächlich noch im Jahr 98 seine Stromlieferung ans öffentliche Netz aufgenommen hat. Gab es unvorhergesehene Verzögerungen beim Bau, die das verhinderten, wird die Investition für 1998 vom Finanzamt nicht mehr anerkannt. Zumindest steuerlich ein herber Schlag.

Selbst wenn aber alle Regeln eingehalten worden sind, kann aus dem Geschäft mit den erneuerbaren Energien immer noch ein Verlust entstehen. Der alternative Super-GAU ist hierbei der Totalverlust der Investition: Das Planungsunternehmen erklärt seinen Bankrott, der Windpark wird nicht realisiert, die investierten Gelder sind jedoch bereits ausgegeben worden. Der Investor steht unversehens mit leeren Händen da. Das Geld ist futsch.

Vor einem solchen Fall ist niemand gefeit – außer durch sorgfältige Planung und detaillierte Einsicht in die Projektunterlagen. Denn Möglichkeiten, das Anlagerisiko zu mindern, gibt es einige. Das beginnt bei der Sorgfaltspflicht, der die Planer und Prospektersteller unterliegen, wollen sie nicht umfangreichen Regreßansprüchen ausgesetzt sein. Um sich zusätzlich abzusichern, geben deshalb viele Unternehmen eine Prospektprüfung in Auftrag, deren Ergebnis jedem Interessierten zugänglich gemacht wird. Außerdem begrenzen die Anbieter zumeist ihre Ausgaben aus dem bereits zur Verfügung gestellten Kapital auf fünf bis zehn Prozent des Investitionsbudgets und schreiben genau vor, wofür das Geld ausgegeben werden darf. Über die Einhaltung der selbstgesetzten Marge wacht ein sogenannter Mittelverwendungskontrolleur. Die kontoführende Bank wird sogar in solchen Fällen angewiesen, Transaktionen nur durchzuführen, wenn der Treuhänder sie gegengezeichnet hat. Auf diese Weise werden 90 Prozent des investierten Betrags gegen eine mißbräuchliche oder voreilige Verwendung gesichert. Mit dieser Begrenzung der Ausgaben versuchen die Initiatoren verschiedene Interessen auszugleichen: das Sicherheitsinteresse der Investoren und das Interesse der Planer, ihre Vorlaufkosten für Werbung und Personal abzusichern, die in jedem Fall anfallen – egal, ob das Projekt zustande kommt oder nicht. Durch die 10- Prozent-Marge wird allzu freigiebigen Werbern eine Grenze gesetzt. Allerdings wird dieses Recht, auf die Investorengelder zuzugreifen, von seriösen Anbietern nicht wahrgenommen, wenigstens soweit es ihre Liquidität zuläßt. Meist wird bereits in den bestehenden vertraglichen Grundlagen die Möglichkeit berücksichtigt, beim Scheitern eines Projektes die eingeworbenen Gelder ohne Verlust in einen anderen Windfonds umzuleiten. Kunden, die man bereits geworben hat, verliert man nicht gern. Denn die Kosten für Herstellung der Kundenkontakte sind enorm. Die Kundenpflege geht bei manchen Firmen so weit, daß sie ihren Kunden sogar den gesamten Betrag zurückerstatten, sollten sie kein geeignetes Alternativprojekt zur Verfügung haben. Kulanz gegenüber Investoren, so der Gedanke, zahlt sich in jedem Fall aus. Walter Delabar

Der Autor arbeitet bei der Unternehmensgruppe Umweltkontor

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