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Künstler bangen um Bleibe

■ Mieterhöhungen im Atelierhaus in der Kreuzberger Lindenstraße 39 geplant

Kreuzberg. Lindenstraße einmal ohne TV, aber in voller Öffentlichkeit — so ließe sich der Tag der offenen Ateliers umschreiben, zu dem am Sonntag die Künstler- und Ateliergemeinschaft Lindenstraße 39 in Kreuzberg eingeladen hatte. Ihr Anliegen war konkret: Die Ateliers und Künstlerwohnungen mögen bleiben, was sie sind — zu erschwinglichen Preisen. Seit über eineinhalb Jahrzehnten werden Räume dieses Hauses von Künstlern aller Sparten als Arbeits- und Wohnräume genutzt. Derzeit sind es 17 an der Zahl, darunter Maler, Schriftsteller, Fotografen, Sänger und sogar eine Galeristin, die neben ihrer Galerie auch ein Café im Hinterhaus unterhält.

Wie lange werden sie hier noch arbeiten und wohnen können? Die Mieten sollen sich gegenüber dem Vorjahr um rund ein Drittel erhöhen. Nur aufgrund eines Moratoriums wird im ersten Quartal noch einmal die alte Miete gezahlt. Doch die aktuelle Erhöhung schreckt nicht so sehr wie die zu befürchtenden weiteren rapiden Mietsteigerungen und — der drohende Rausschmiß. Darum fordern sie langfristige Mietverträge statt der einjährig befristeten. Beharrlich halten sich Gerüchte, daß sich ein Verlag um das alte Haus bemüht. Aus dem Gebäude nahe der einstigen Mauer zwischen Bundesdruckerei und Springer-Hochhaus, wo sich mitunter im wahrsten Sinne des Wortes Fuchs und Hase Gute Nacht sagten, ist eine gesuchte Zentrums-Immobilie geworden.

Das Haus Nr. 39 — Senatseigentum und derzeit in der Obhut der Kreuzberger Grundstücksverwaltung — ist neben dem Tempelhofer Ufer 32 eines von zwei Atelierhäusern im Bezirk, um deren Erhalt auch Volksbildungsstadtrat Dirk Jordan ringt. Der Stadtrat unterstützt das Anliegen der Künstler, das Gebäude möge aus der Verantwortung der Finanzverwaltung in die des Kultursenators übergehen. Jordan über den Stand der Verhandlungen mit Ulrich Roloff-Momin: »Sein Wort haben wir, aber noch nicht den Brief.« In diesem Monat noch sollen Entscheidungen fallen, aber zweifellos wird auch Finanzsenator Pieroth mitreden wollen. Und, so die Meinung mehrerer Künstler, bei den Finanzleuten fehlt mitunter der Blick für die spezifische soziale Situation von musisch tätigen Freiberuflern. Die in diesem Haus wohnenden Künstler haben zum Teil viel Raum, aber wenig Komfort. »Zum Schlafen haben wir nur so etwas wie Klosterzellen«, sagt Bühnenbildner Paul Lerchbaumer. Er denkt offenbar daran, daß das Haus bis 1939 ein Ursulinenkloster war. adn

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