piwik no script img

Kuddelmuddel bei der Tour de France

■ Longo und Delgado FavoritInnen für den Tour-Sieg, Hinault für den Posten des Tour-Direktors

Berlin (taz) - Philippe Bouvatier (Frankreich) hatte es fast geschafft. Mit 13 anderen Fahrern war er dem Hauptfeld der Tour de France auf der 163 km langen 14. Etappe entfleucht, hatte später gemeinsam mit dem langen Italiener Massimo Ghirotto den ausgerissenen Robert Millar (Schottland) wieder eingefangen und sich dann einige hundert Meter vor dem Ziel geschickt und antrittsschnell von seinen beiden Kumpanen abgesetzt. Der so heiß ersehnte und lukrative Etappensieg schien sicher, als ihm ein erstaunliches Mißgeschick passierte. Er fuhr geradeaus, als es linksrum ging und landete auf dem Presseparkplatz. Millar folgte getreulich und Ghirotto, der sich ob seiner Spurtschwäche nie eine Chance auf den Sieg ausgerechnet hatte, radelte breit grinsend als erster über den Zielstrich im Pyrenäenort Guzet -Neige. Zur Belohnung gab es wie für jeden Etappensieg einen Kleinwagen, der spontan auch Pechvogel Bouvatier zugesprochen wurde.

Fast neun Minuten später erschien der im Gesamtklassement führende Spanier Pedro Delgado in Guzet-Neige. „Perico“, wie ihn seine in Scharen an der Strecke erschienenen Landsleute immer wieder anfeuerten, fuhr souverän stets an der Spitze des Verfolgerfeldes und nahm seinen ärgsten Konkurrenten weitere Sekunden und Minuten ab. „Delgado hat die Tour zu 70 Prozent gewonnen“, erklärte denn auch Bernard Hinault, offizieller Tour-Berater, der die Rundfahrt selbst fünfmal gewonnen hat.

Organisations-Chaos

Inzwischen häufen sich Klagen über die mangelhafte Organisation der Tour. Seit dem nicht ganz freiwilligen Ausscheiden des betrugsverdächtigten Felix Levitan vor zwei Jahren geht es drunter und drüber. Da behinderten Motorräder den Kolumbianer Fabio Parra, gerade als der zum Endspurt nach Alpe d'Huez ansetzte, da gab es Gerangel und Stürze wie nie zuvor, da blieb der Troß der Materialwagen auf einer verstopften Autobahn stecken, weil genau am ausflugsträchtigen Samstag die Fahrt zum 65 Kilometer entfernten Startort der nächsten Etappe bewältigt werden mußte, da war der Zielraum oft so vollgestopft mit Menschen, daß später ankommende Fahrer ihre Räder über den Zielstrich schieben mußten.

„Die Tour will zu schnell immer größer werden“, befand der ehemalige Fahrer Paul Sherwen, „außerdem hat sie keinen Chef mehr, der auf den Tisch haut.“ Der diesjährige Tour-Leiter Courcol von der Zeitung 'L'Equipe‘ ist ebenso überfordert wie im Vorjahr der ehemalige Schnapsvertreter Nadiguet. Nun wird allenthalben gemunkelt, daß Bernard Hinault heißester Kandidat für den Posten des Tour-Direktors ist, obwohl einer der maßgeblichen Leute, Xavier Louy, schon letztes Jahr erklärt hatte, daß dem dickschädligen Bretonen die „intellektuellen Voraussetzungen“ für diesen Job fehlen würden.

Longo souverän

Ziemlich schnell ging es auch bei der 94 km langen 6. Etappe der Tour de France der Frauen von Blagnac nach St. Girons zu. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 40 km/h sausten die Fahrerinnen über die Pyrenäenberge. Gewonnen wurde die Etappe im Spurt von der Französin Cecile Odin. Die beiden seit Jahren stärksten Fahrerinnen Maria Canins (Italien) und Jeannie Longo (Frankreich) kamen zeitgleich kurz hinter Odin ins Ziel. Die Vorjahressiegerin Longo konnte in der Gesamtwertung ihren Vorsprung von 40 Sekunden auf Canins somit behaupten. Dritte ist Imelda Chiappa (Italien) mit einem Rückstand von 4:21 Minuten.

Matti

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen