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Kröte für die PDS

■ Gysi sieht seine Partei in sozialdemokratischem Dilemma

Berlin (adn) - Die PDS-Volkskammerfraktion werde sich am kommenden Dienstag endgültig über den Einigungsvertrag entscheiden, kündigte Parteivorsitzender Gregor Gysi gestern auf einer Pressekonferenz an. Zuvor werde Verhandlungsführer Günther Krause (CDU) den PDS-Abgeordneten Auskunft über den Vertrag geben. Bei dieser Entscheidung sieht Gysi die PDS in einer „klassisch sozialdemokratischen Situation“, in der man „eine Kröte schlucken“ müsse. Bei allen Mängeln habe ein Einigungsvertrag aber Vorteile gegenüber einem Überleitungsgesetz, das ohne DDR-Mitwirkung zustande kommen würde und jederzeit mit einfacher Mehrheit im Bundestag geändert werden könne.

Nach Angaben des Parteivorsitzenden beläuft sich das PDS -Vermögen gegenwärtig auf etwa 2,5 Milliarden Mark. Davon seien zwei Milliarden der Wert von Betrieben und Immobilien der Partei wie zum Beispiel das Berliner Haus der Demokratie, über die „zum Teil schon Abgabeentscheidungen“ getroffen seien. Gysi sagte, daß die PDS im ersten Halbjahr 1990 über 75 Prozent ihres Parteivermögens bereits an den Staat überführt habe. Das beträfe Betriebe im Wert von sechs Milliarden Mark und ein Vermögen in Höhe von über drei Milliarden Mark, so Gysi.

Auf der Pressekonferenz stellte PDS-Wirtschaftsexperte Prof. Klaus Steinitz ein Positionspapier zur Wirtschaftssituation vor, in dem der Erhalt des „Produktionsstandortes DDR“ gefordert wird. Der „unheilvolle Kreislauf“ von D-Mark-Anleihen, Rücklauf in die Bundesrepublik und daraus resultierender zusätzlicher finanzieller Forderungen müsse durchbrochen werden. „Offensichtlich“, so Steinitz, werde „bewußt auf Ruinierung großer Komplexe der DDR-Wirtschaft gesetzt“. Den somit möglichen billigen Aufkauf von Betrieben durch BRD -Unternehmen bezeichnete er als „größtes Geschäft der letzten Jahrzehnte“.

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