Kritik an Netflixfilm „365 Tage“: Ein schlechter, ärgerlicher Film
Einem polnischen Film wird die Verherrlichung von Vergewaltigungen vorgeworfen. Sicher ist: Er ist grotesk schlecht.
Im Film wird eine polnische Geschäftsfrau von einem italienischen Gangsterboss entführt, dem sie vorher unbekannterweise im Traum erschienen war. Der durchtrainierte, schweigsame Massimo ist von der langwimprigen Laura besessen, und kündigt an, sie ein Jahr lang festzuhalten, um ihr die Chance zu geben, sich in ihn zu verlieben. Über ihre körperlichen Grenzen werde er sich – trotz einer in vielen Kreisen fälschlicherweise mit Männlichkeit assoziierten Grobheit – nicht hinwegsetzen, verspricht er ihr. Dabei lässt er außer Acht, dass bereits die Entführung selbst Gewalt beinhaltet, von den späteren mit Musik und viel male und female gaze auf normativ perfekte Körper unterschnittenen Soft-Bondage- und Fesselszenen mal ganz abgesehen.
Schlecht gespielt, schlecht inszeniert
Und hier liegt das Missverständnis vergraben: Der grotesk schlecht geschriebene, inszenierte und gespielte Film verpasst es, auf die Unterschiede zwischen konsensuellen oder herbeifantasierten und erzwungenen Sextechniken hinzuweisen. Er müht sich mit Anhaltspunkten ab – wenn etwa Laura am Anfang elegant im Hotelbett masturbiert, und die Szene parallel zu einer zunächst wie forciertes Fellatio wirkenden, aber einvernehmlichen Nummer Massimos mit seiner Privatjet-Stewardess montiert wird, insinuieren die Regisseur*innen Barbara Bialowas und Tomasz Mandes damit den Ton von Lauras Fantasien.
Später sucht Laura Massimos nach exquisitem Porno-Set aussehendes Hotelzimmer auf, weigert sich, seinen Penis anzufassen, wird von ihm ans Bett gefesselt – und muss zuschauen, wie er einen Blow Job bekommt. Danach lässt er sie frei. Und sie entscheidet sich, bei ihm zu bleiben.
Mit allem, was man in diesem kruden, durch das grottige Schauspiel und die absurde Geschichte unfreiwillig albern wirkenden Pseudo-BDSM-Film an psychologischer Tiefe liest, gibt man ihm zu viel Aufmerksamkeit: Er ist simpel. „365 Tage“ ist vor allem ärgerlich, weil seine Prämisse behauptet, man könne eine Frau (mit dem Stockholm Syndrom) zwingen, sich in einen Mann zu verlieben.
Hoffen auf den Skandal
Dabei schwingt Lauras Interesse an der Situation permanent mit, und personifiziert somit die These, die Nein-heißt-Nein notwendig machte: Laura sagt zwar Nein, aber Massimo weiß besser, was sie will – und soll Recht behalten. Insofern ist Massimos Verhalten pure Verachtung, seine Taten auch als Mafiosi wären – in einer realen Welt – misogyn und gewaltverherrlichend. (Obwohl die inkriminierte Vergewaltigung tatsächlich nie stattfindet, und Laura Massimo später sogar wegen „victim shaming“ zur Rede stellt.)
Doch gleichzeitig pinselt der Film durch seine Ästhetik, sein Setting, seine Fokussierung auf die langen, nach dem deutschen Gesetz nicht als pornografisch, sondern als erotisch zu definierenden Sexszenen, ungelenk eine eindeutige, vom angepeilten Publikum ab 16 decodierbare Fantasie. Und ist damit weder Handlungsanweisung, noch weidet er sich am Leiden des Opfers. Denn das Opfer, Laura, leidet nicht.
Duffys Vorwurf, der Film verzerre sexuelle Gewalt und Entführungen, ist richtig – denn das tun sexuelle oder erotische Fantasien, in denen Gewalt oder Unterwerfung eine Rolle spielen. Und das dürfen sie auch. „365 Tage“ ist ein schlechter, ärgerlicher, ungenauer Film, der auf einen provozierten Skandal hofft, mehr nicht. Mit Duffys traumatischen Erfahrungen hat er dennoch wenig zu tun.
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