: Kritik an Gauck-Behörde „absurd“
■ Im Fall Stolpe stehen Brandenburger PolitikerInnen zu ihrem Ministerpräsidenten und greifen die Gauck-Behörde an/ Bonner UnionspolitikerInnen erneuern Rücktrittsforderung/ Stolpe: „Bin nicht belastet“
Berlin (ap/dpa/taz) — PolitikerInnen der Regierungsparteien SPD und FDP sowie der oppositionellen CDU in Potsdam erklärten gestern, Manfred Stolpe müsse auch nach dem Gutachten der Gauck-Behörde über seine zwanzigjährige Stasi-Kontakte Ministerpräsident bleiben. Die brandenburgischen Landtagsabgeordneten fanden sich in einer großen Koalition gegen die Gauck-Behörde zusammen. Die Behörde habe sich die Kriterien der Stasi zu sehr zu eigen gemacht, erklärten die Abgeordneten übereinstimmend. Genauso hatte am Sonntag auch Stolpe selbst den 61seitigen Bericht der Behörde kritisiert und angekündigt, er werde gegen die Behauptung, er habe wissentlich für die Stasi gearbeitet, rechtlich vorgehen. Gaucks Sprecher David Gill wies gestern die Kritik zurück. Die Behörde müsse die vorhandenen Stasi-Unterlagen ordnen, sichten und dem Potsdamer Landtag zuleiten. Das habe sie getan. Einer Wertung habe sie sich enthalten. Als „absurd“ bezeichnete Gill die Vorhaltungen Stolpes, die Behörde habe mit der Einschaltung von zwei Boten einer Manipulation des Gutachtens Tür und Tor geöffnet.
Der brandenburgische SPD-Landesvorsitzende Steffen Reiche sagte, das Gauck-Gutachten baue eine Indizienkette auf, „die nicht trägt, was sie behauptet“. Die SPD denke darüber nach, ein Gegengutachten fertigen zu lassen. Für die FDP sagte die Abgeordnete Rosemarie Fuchs, allein der Stolpe-Untersuchungsausschuß könne am Ende seiner Arbeit eine Rücktrittsempfehlung aussprechen. Nicht Stolpe müsse seine Unschuld beweisen, sondern der Ausschuß müsse dem Ministerpräsidenten Schuld nachweisen. Die Recherche der Gauck-Behörde stehe „auf wackligen Beinen“. Im übrigen werde sich die FDP dagegen wehren, wenn „das Land Brandenburg durch Einmischung unregierbar wird“.
Während der brandenburgische CDU-Generalsekretär Thomas Klein am Sonntag von Stolpe verlangt hatte, sein Amt vorläufig niederzulegen, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter-Michael Diestel gestern: „Ich schließe mich den Rücktrittsforderungen ausdrücklich nicht an.“ Wie die FDP will auch die CDU dem Untersuchungsausschuß, der heute zum zweiten Mal öffentlich tagt, die letzte Bewertung der neuen Vorwürfe gegen Stolpe überlassen. Die Abgeordneten des Bündnisses 90, das an der Regierungskoalition beteiligt ist, berieten zwar über den Gauck-Bericht, wollen sich aber erst heute äußern. Am Freitag hatte Fraktionschef Nooke das Gutachten als „zum Teil sehr belastend“ bewertet.
Bärbel Bohley sagte in einem Interview der Berliner 'BZ‘: „Es ist eine Frechheit, daß Stolpe noch im Amt ist und im Amt bleiben will.“ Für sie bestehe kein Zweifel, daß er als IM „Sekretär“ für die Stasi gearbeitet habe. Unionspolitiker in Bonn wie der CDU-Abgeordnete Joachim Hörster und der CSU-Abgeordnete Eduard Lintner sowie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Michalk forderten erneut Stolpes Rücktritt. An ihn müßten die gleichen Maßstäbe angelegt werden wie an Lothar de Maizière.
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