Kriterien für nachhaltigen Wasserstoff: Grün und fair muss er sein

Grüner Wasserstoff soll die deutsche Wirtschaft unabhängiger machen. Damit er wirklich nachhaltig ist, fordern Umweltverbände klare Regeln.

Rohre

Die Wasserstoff-Produktionsanlage der Linde AG in Leuna in Sachsen-Anhalt Foto: imageBroker/imago

BERLIN taz | Grüner Wasserstoff gilt derzeit als großer Hoffnungs-träger. Er soll schon bald fossile Rohstoffe im Energie- und Industriesektor ersetzen, Klimaneutralität und Unabhängigkeit von Russland gewährleisten. Das Problem: Nicht jeder Wasserstoff ist grün. Je nach Herstellungsverfahren können bei der Produktion klimaschädliche Emissionen entstehen. Entweder, weil der Wasser-stoff direkt aus Erdgas gewonnen oder weil zu seiner Elektrolyse Strom eingesetzt wird, der nicht aus erneuerbaren Quellen stammt.

Die EU-Komission hat deshalb am Mittwoch eine Erweiterung der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien vorgestellt, in der Kriterien definiert werden, die Wasserstoff erfüllen muss, um als grün gelten zu dürfen.

Laut diesen müssen Unternehmen nachweisen, dass der für die Elektrolyse verwendete Strom aus erneuerbaren Quellen stammt und in derselben Stunde produziert wurde wie der anschließend daraus elektrolysierte Wasserstoff. Weiterhin müssen die Anlagen, die den Strom liefern, zusätzlich zu den bereits bestehenden errichtet werden. So soll garantiert werden, dass die Wasser-stoffproduktion nicht erneuerbare Energie verbraucht, die dann an anderer Stelle fehlt und dort durch fossile ersetzt wird.

Parallel dazu hat eine breite Allianz aus Umwelt- und Entwicklungs-verbänden, darunter der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Brot für die Welt und Heinrich-Böll-Stiftung, am Mittwoch mit Blick auf den anstehenden G7-Gipfel in Elmau ein Forderungspapier vorgestellt. Darin fordern die Verbände entsprechende Kriterien nicht nur für die EU, sondern international.

Erzeugerländer melden Bedenken an

Wasserstoff werde zukünftig zu einem großen Teil nicht in der EU, sondern in Ländern des globalen Südens hergestellt, darunter Südafrika, Chile, Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Marokko und Tunesien. Der gigantische entstehende Markt stelle eine neue Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehung dar. Die Allianz fordert, diese „auf eine neue, nachhaltige und gerechte Grundlage zu stellen.“

Die Forderungen schließen sich dem von der EU-Kommission formulierten Zusätzlichkeitskriterium an. Das heißt, der Ausbau von erneuerbaren Energien zur lokalen Versorgung dürfe nicht durch die Wasserstoffproduktion für den Export aufgefressen werden.

Weiterhin müssten Eingriffe in die Natur gering gehalten, Land-, Weide- und Wassernutzungsrechte respektiert und zudem Arbeitsplätze und Know-How für die lokalen Gemeinschaften zugänglich gemacht werden, betont Verena Graichen, stellvertretende Vorsitzende des BUND. „Die Erzeugerländer haben Sorge, dass es zu einer grünen Landnahme kommt“, so Jörg Haas, Referent für internationale Politik bei der Heinrich-Böll-Stiftung.

Zudem müssten etwa neue Pipelines in Deutschland die bevorste-hende Umstellung auf Wasserstoff berücksichtigen, fordert Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Fossile Infrastruktur müsse umrüstbar sein, hierfür brauche es klare Regeln. Dazu seien eine genaue Bedarfsplanung und eine Aktuali-sierung der nationalen Wasserstoffstrategie nötig. Neben Pipelines müssten auch Strukturen für Importe per Schiff errichtet werden.

Wasserstoffbranche kritisiert Regeln

„Wir begrüßen die Kriterien der EU“, sagt Oliver Powalla, Referent für Energie und Klima beim BUND, „es müssen allerdings nicht nur in Europa, sondern international einheitliche Regeln für die Wasserstoffproduktion formuliert werden“. Die G7 sei ein geeignetes Gremium, eine solche Verständigung zu initiieren.

Ver­tre­te­r*in­nen der gerade entstehenden Wasserstoffbranche war-nen, die Kriterien der EU-Kommission seien zu streng, schränkten die Wettbewerbsfähigkeit und damit den zügigen Aufbau der Branche ein. Sie erscheinen allerdings als durchaus sinnvoll, zielen sie doch darauf ab, dass die Produktion auch tatsächlich aus zusätzlichen erneuerbaren Kapazitäten gespeist wird.

Nur dann hat die Umstellung auf den neuen Energieträger auch einen positiven Effekt auf die Klimabilanz. Für einen fairen internationalen Wettbewerb nach dem Prinzip der Klimaneutralität könnten unterdessen die globalen Standards sorgen, die die Umweltverbände von der G7 fordern.

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