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Krisenbewältigung im Stadtamt

■ Nach dem Brandanschlag: Auf der Suche nach sicherer Bürgernähe

Müssen sich die Behörden in Zukunft vor ihren BürgerInnen schützen? Nach dem Mordanschlag auf eine Mitarbeiterin des Stadtamtes im April diesen Jahres wurde dieses Thema auf allen Etagen heiß diskutiert. Die Frau konnte unverletzt entkommen, die Behörde kam damals mit einem blauen Auge davon und mußte nur ihre Räume renovieren. Das ist jetzt geschehen, der Abschnitt Gaststättenangelegenheiten ist ab dem 18. Juli wieder am Rembertiring 39 zu finden. Es mußte allerdings mehr investiert werden, als nur ein paar Eimer Farbe, um sichere Arbeitsbedingungen für die MitarbeiterInnen zu schaffen.

Die bürgernahe Verwaltung ohne Tresen und Trennwände hatte den Anschlag erst möglich gemacht, der Schock und die Angst vor Wiederholung saßen bei allen Angestellten tief. Im Rahmen der Renovierungsarbeiten hat man sich jetzt mit der Kripo beraten. Auffälligste Neuerung sind sicherlich die zwei Männer von einem privaten Sicherheitsdienst, die die BesucherInnen schon im Eingangsbereich in Augenschein nehmen. „Manche Änderungen sind nicht so auffällig; zum Beispiel stehen die Möbel jetzt so, daß die Fluchtwege frei sind und die MitarbeiterInnen jederzeit zur Tür können. Das war vorher nicht überall der Fall“, erklärt der Leiter des Stadtamtes Hans-Jörg Wilkens. „Aber wir wollten auch nicht wieder Tresen und Trennwände einbauen“, fährt er fort „da waren sich alle einig, auch die Personalräte.“

Neben den Umbautenwar den MitarbeiterInnen besonders wichtig zu lernen, wie sie selbst gefährliche Situationen entschärfen können. Deshalb wurden gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei und einer Psychologin Kurse durchgeführt, in denen die „krisenbetroffenen MitarbeiterInnen“ in Konfliktbewältigung geschult wurden. „Diese Kurse sind ganz toll angenommen worden“, erzählt Hildegard Piplak, Personalrätin im Stadtamt. „Wir haben uns in Rollenspielen mal in die Situation der Besucher versetzt und uns klargemacht, was alles dazu führen kann, daß die dann schon agressiv bei uns reinkommen“, beschreibt eine Mitarbeiterin aus dem Ausländeramt die Kursinhalte. Die Erkenntnis, daß die Agressionen gar nicht persönlich gegen sie gerichtet sein müssen, war ein wichtiges Ergebnis der Gruppenarbeit. Für viele BesucherInnen ist der Gang zur Behörde einfach negativ besetzt und wenn sie sich dann noch in eine lange Warteschlange einreihen müssen, dann sind sie endgültig genervt, machten sich die MitarbeiterInnen klar. Gerade AusländerInnen haben oft andere Sorgen, als Formblatt 10b vollständig auszufüllen und verstehen nicht, daß gerade davon eine weitere Bearbeitung abhängt.

„Ich nehme mir jetzt auch die Zeit alles noch ein zweites oder drittes Mal zu erklären, damit die Leute verstehen was wir hier machen“, erzählt Dörte Scholz aus dem Ausländeramt. Sie findet, daß der Kurs sehr sinnvoll war und möchte gerne, daß das Angebot fortgesetzt wird. „Seit ich mir mehr Mühe gebe, auch in schwierigen Situationen ruhig und sachlich zu bleiben, ist es hier insgesamt friedlicher.“ kaz

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