: „Kriegswirtschaftsplan“ und Plünderungen in Argentinien
■ Alfonsin verkündet Notstandsprogramm / Alle öffentlichen Bauprojekte werden gestoppt, Radio- und Fernsehstationen privatisiert / Soziale Unruhen nehmen zu
Buenos Aires (afp/ap/ips) - In einer Fernsehansprache hat der argentinische Staatspräsident Alfonsin am Sonntag abend die Maßnahmen seines Wirtschafts-Notstandsprogramms bekanntgegeben, das er bereits vorher als „Kriegswirtschaftsplan“ angekündigt hatte. Der Plan, der bis zur Amtsübergabe an den peronistischen Alfonsin-Nachfolger Menem am 10. Dezember gilt, sieht entgegen früheren Erwartungen die Beibehaltung des einheitlichen Devisenmarktes vor.
Als Neuerungen sind die Privatisierung aller Radio- und Fernsehstationen geplant; außerdem werden alle öffentlichen Bauprojekte gestoppt und vorerst keine neuen Verträge geschlossen. Als psychologische Maßnahme des Anti -Inflationsprogramms werteten Beobachter die Aussetzung aller Auslandsreisen für Staatsbeamte. Alfonsin selbst wird nicht zur Teilnahme an den 200-Jahr-Feiern der Französischen Revolution in Paris fliegen. Er kündigte zudem eine Offensive gegen die Wirtschaftskriminalität an. Höchstpreise für Konsumgüter werden nicht festgesetzt.
Das wirtschaftliche Chaos in Argentinien (siehe taz vom 3. und 25.5.) nimmt derweil noch zu. Nach dem Wahlsieg der Peronisten hatte der Austral erneut drastisch an Wert verloren; ebenso drastisch stiegen die Zinsen in die Höhe. Für Mai wird mit einer Inflationsrate von 60 Prozent gerechnet. Zahlreiche Betriebe mußten bereits schließen; fast alle argentinischen Banken befinden sich in einer heftigen Liquiditätskrise.
In einigen Landesteilen wurden am Sonntag von Behörden und Gewerkschaften kostenlos Lebensmittel an bedürftige Familien verteilt. Über das Wochenende ging die Plünderung von Supermärkten weiter. Unter Rufen wie „Wir haben Hunger!“, „Diebe!“ und „Runter mit den Preisen!“ waren schon in der letzten Woche rund ein Dutzend Supermärkte in den Städten Cordoba und Rosario gestürmt worden. Nach Angaben von Zeugen und der Polizei handelte es sich bei den Zwanzig Festgenommenen um „einfache Leute“, zumeist Frauen.
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