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Krieg ist ein Verbrechen

betr.: „Ende eines deutschen Dramas“, taz vom 3. 12. 01

Der im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnend häufig verwendete Begriff „Vergangenheitsbewältigung“ entzieht sich bei näherer Betrachtung jeglicher Logik. Die Vergangenheit ist ein in sich abgeschlossener Vorgang und von der Gegenwart aus betrachtet existiert keinerlei Möglichkeit, real bzw. effektiv auf diese einzuwirken. Vergangenheit kann allenfalls realisiert oder verklärt, aber niemals bewältigt werden. Der Begriff „Vergangenheitsbewältigung“ trägt ein Lüge in sich, verhindert somit eher, dass nötige Veränderungen im menschlichen Bewusstsein stattfinden können und stigmatisiert somit eher den bisherigen Lauf der Menschheitsgeschichte.

Jeder Schüler muss die Erfahrung machen, dass dem „offiziellen Geschichtsverständnis“ nach eine deutliche Trennlinie zwischen der Geschichte vor dem 9. 5. 1945 und dem Nachfolgenden geschaffen worden wäre. Kaum ein Wort erfährt er davon, dass nur einige Begriffe, wenige Gesetze, die „oberste Führungsriege“ und bestenfalls vollkommen irrationale Wertvorstellungen ausgetauscht wurden.

[. . .] Die Millionen Opfer der („deutschen“) Vergangenheit haben keinerlei Einfluss auf derartige Diskussionen, da diese zumeist entweder tot oder aufgrund von anzunehmender Traumatisierung gebrochen sind. Derartiges realisiert nach wie vor nur derjenige, der aus echter, innerer Betroffenheit heraus ein unbeugsames Interesse an der Wahrheit bzw. Realität ableitet und sich dabei selbst nicht schont. Schließlich blieb der maskierte Großteil der Täter mitten unter „uns“ und besaß im Gegensatz zu den Opfern fast alle Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Zukunft. Alles, was der heutige Mensch leisten kann, wäre eine Gegenwartsbewältigung, die Lehren aus der Vergangenheit zieht und entsprechend berücksichtigt. [. . .] Ist es nicht äußerst bedenkenswert, dass die sogenannte „moderne, zivilisierte Welt“ jüngst einem Feindbild [. . .] in Form des „stets frauenfeindlichen und blutrünstigen Muslim aus den fernen Bergregionen“ auf dem Leim gegangen ist? TIMO GRASSI, Nürnberg

Was heißt „Kriegsverbrechen“?

Gibt es Verbrechen im Verbrechen? Jeder Krieg ist ein Verbrechen, auch der von der Kirche gesegnete Krieg, denn immer werden unschuldige Menschen getötet.

Als der zweite Weltkrieg schon verloren war, wurden 15- und 16-Jährige an die Flakgeschütze gestellt. Sie brachten große Opfer – währenddessen saß ein späterer Bundeskanzler im Reichsluftfahrtsministerium, als Referent für die Flak, verantwortlich für Ausbildung, Vorschriften und Lehrmittel – lt. Bundesarchiv. Wer nach Hause laufen wollte, wurde an den nächsten Baum gehängt. War das kein Verbrechen? Wer ein wenig älter war, wurde „mit unerbittlicher Härte“ – wie es im Ehrenblatt der Wehrmacht (hieß) über einen späteren Bundespräsidenten hieß – zur Verteidigung von Auschwitz ins feindliche Feuer getrieben. Wer sich weigerte, wurde erschossen. War das kein Verbrechen? Und während der Wehrtmachtsausstellung sollen wieder deutsche Soldaten in neue Kriegsverbrechen gestürzt werden.

KARL-AUGUST HENNICKE, Baden-Baden

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