piwik no script img

Kreuzzug ins Glück

■ Mit Heavy-Metal-Hilfe gewannen die Crusaders aus Amsterdam den Europacup im American Football

Offenbach (taz) — Im Windschatten des World League-Teams „Frankfurt Galaxy“ hoffte die European Football League (EFL) Werbung für ihr Anliegen machen zu können. Mit dem Europacup- Endspiel der beiden stärksten europäischen Amateur-Footballmannschaften, den Crusaders aus Amsterdam und den Berliner Adlern, sollte im nahegelegenen Offenbach für die im nächsten Jahr geplante Europaliga gebuhlt werden. Im Stile von Uli Hoeneß träumt EFL- Präsident Paolo Wölker von einer attraktiveren und grenzübergreifenden Liga.

Im ehrwürdigen OFC-Stadion am Bieberer Berg, wo in den Siebzigern auf der linken Seite die blonde Matte Sigi Helds wuselte und vorn in der Mitte Erwin Kostedde sein Unwesen trieb, gelang den niederländischen Fans schon drei Stunden vor Kick-off der erste Coup. Ausgerüstet mit orangenen Luftballons sicherten sie sich die Hool-Ecke der Kickers-Fans, von wo aus das Stadion normalerweise „regiert“ wird. Auf der gegenüberliegenden Haupttribüne posierte der Berliner Troß mit den obligatorischen T-Shirts, Kappen und manirierten Gesten auch nicht schlecht. Auf beiden Seiten gleich verteilt der lila-orange gekleidete Galaxy-Clan, der immer dann aufwachte, wenn die „Pep-Band“ (der Frankfurter Fanfaren Chor) loslegte. Die Vips hatte man mit Sponsorenbier versorgt an die Eckfahnen verbannt. Obwohl das komplette Showprogramm der Galaxy ausgeliehen worden war, erschienen statt der 10.000 erhofften und 20.000 erträumten doch nur etwa 3.000 Zuschauer.

Die Auseinandersetzung begann für die Berliner unerwartet. Gewöhnlich die erste Halbzeit verschlafend, zogen sie in den ersten Minuten ein variables Paß- und Laufspiel auf, das mit einem genialen 55-Yard-Touchdown-Paß von Quarterback Clifton Madison auf Roman Motzkus gekrönt wurde. 7:0 — „Berlin, Berlin, alles nach Berlin“, triumphierte der Adlerhorst.

Den unverhofften Jubel nutzend begann der immer gutgelaunte Diskjockey der „Party Crew“ von nun an in jeder Spielpause mit Achtziger-Jahre-Gassenhauern à la Jump und Footloose auf die Zuschauer einzuhämmern und leitete damit die ersten Wende ein. Von Van Halen beflügelt, starteten die Crusaders ihren unerbittlichen Kreuzzug ins Glück und wühlten sich ein ums andere Mal ins Gebiet der Berliner. Dicke schoben Dicke beiseite, elegant und flink spritzten die Ballträger durch die Lücken, alle Mann in Bewegung. Bei Halbzeit führten die Holländer um den amerikanischen Quarterback Paul Troth verdient mit 21:7.

Im zweiten Durchgang wechselte der weiterhin fröhliche „Di- Dschäj“ die Strategie. Mit AC/DC und Ram Jam setzte er verstärkt auf die Siebziger. Und hatte Erfolg. Auf den Phonwellen von „TNT“ jagte nun die Berliner „Rakete“, der geniale Running Back Taric Al- Habash, über den Platz. Meter um Meter wurde gutgemacht, und durch den zweiten Receiver Frank Stahnke gelangen den Adlern zwei weitere Touchdowns. Doch vor dem letzten „Point after“, dem nach einem Touchdown (6 Punkte) fälligen Kick zum Extrapunkt, machte der fidele Diskjockey einen entscheidenden Fehler. Wie vom Teufel geritten legte er wieder Van Halen auf. Der Punkt wurde abgeblockt, die Crusaders blieben mit 21:20 in Führung und ließen die Adler nicht mehr aus ihren Klauen. Mit fiesem (weil risikoärmeren und zeitgewinnenden) Laufspiel retteten die Holländer ihren Vorsprung gegen die vom leichtsinnigen DJ zermürbten Berliner bis ins Ziel.

Wenig später reckten die Kreuzzügler eine potthäßliche Schale in den Offenbacher Abendhimmel. Der DJ legte scheinheilig Queen auf und auf der anderen Seite weinten harte Berliner Burschen in zerschlissenen schwarz-gelben Trikots hemmungslos. Die Fans trösteten ihre Helden auf dem Platz so gut sie konnten. Offensive Lineman Ingo Lindner kam dabei am besten weg. Er ließ sich von seiner Freundin mit einem minutenlangen Kuß aufrichten. Verlieren kann also auch schön sein. Andreas Lampert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen