: Kreuzberg: Kündigen, um zu bleiben
■ Mieter und Stattbau gehen gegen Eigentümer vor
Dem Wohnprojekt Görlitzer Straße 36 in Kreuzberg droht das Aus. Der Pachtvertrag für das vom Sanierungsträger „Stattbau“ betreute Selbsthilfeprojekt soll nach dem Willen des Eigentümers, der Münchner Nomo GmbH, nicht mehr verlängert werden. Stattbau will jedoch das betreute Projekt mit den 14 MieterInnen, die meist von Sozialhilfe leben und mit Alkohol- beziehungsweise Drogenproblemen zu kämpfen haben, fortsetzen.
Vor Gericht soll nun geklärt werden, ob mit dem Ende des Pachtverhältnisses auch die unbefristeten Mietverträge zwischen Stattbau und den BewohnerInnen nichtig sind – oder ob die Verträge auch für die Nomo weiter bindend sind. Um „alles zu tun, damit die Leute dort weiter wohnen können“, geht Stattbau-Geschäftsführer Volker Devermann einen ungewöhnlichen Weg. Er hat den BewohnerInnen erst einmal gekündigt. Die BewohnerInnen ihrerseits haben Widerspruch eingelegt und hoffen, daß das Gericht die Stattbau-Verträge bestätigt. Devermann stützt seine Hoffnung auf ein Urteil des Landgerichts Köln von 1994. In einem ähnlichen Fall entschied es, daß die Mietverträge bestehen bleiben. Grund: Der Eigentümer wußte bei Abschluß des Pachtvertrags, daß die Wohnungen weitervermietet werden.
Das Wohnprojekt ist ein Relikt aus der Haubesetzerzeit. Bis 1984 war auch das vierstöckige Hinterhaus in der Görlitzer Straße 36 besetzt. 1986 pachtete Stattbau das Gebäude mit den neun Wohnungen, um den verbliebenen zwölf BesetzerInnen die Obdachlosigkeit zu ersparen. Die Firma Nomo erwarb das Gebäude 1990. Seit die GmbH vor zwei Jahren ankündigte, den Pachtvertrag nicht zu verlängern, verhandelt Stattbau mit dem neuen Eigentümer – bisher jedoch ohne Ergebnis. In Devermanns Augen will Nomo vor allem aus wirtschaftlichen Gründen den Pachtvertrag nicht verlängern. Aber auch die BewohnerInnen seien ihr ein Dorn im Auge: „Sie leben nicht unbedingt so wie Normalmieter“, räumt er ein. Gerade aber wegen der schwierigen Verhältnisse müsse das Projekt fortgeführt werden.
Daß Devermanns Befürchtungen nicht von der Hand zu weisen sind, bestätigt Nomo-Vertreter Peter Hanke. Die „Ausstrahlung“ der Stattbau-Mieter „auf die übrigen Bewohner“ sei ein Grund, warum er den Vertrag noch nicht verlängert habe. Verhandlungen liefen aber noch. Mit der Höhe des Pachtzinses habe das „nichts zu tun, sondern damit, daß sich die Leute anders benehmen“ sollten. Falls dies nicht der Fall sei, werde er „die ganz harte Welle fahren“. Fünf Hunde in einer Wohnung seien einfach zuviel. Bernd Kastner
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