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Archiv-Artikel

Kreisstruktur wird angeknabbert

Gestern erklärte Schleswig-Holsteins schwarz-rote Regierung, wie sie die kommunalen Verwaltungseinheiten reformieren will. Geplant sind auch vier bis fünf Dienstleistungszentren, um die sich die Städte balgen werden

Jetzt mal alle im Chor: Dies ist keine Gebietsreform. Denn „eine Gebietsreform“ – das hat die CDU vor der Wahl gesagt – würde sie nicht machen. Was nun in Schleswig-Holstein passiert, nennt sich „Reform der kommunalen Verwaltungsstruktur“, und dabei, sagte SPD-Innenminister Ralph Stegner gestern in Kiel, „reden wir nicht über menschliche Schicksale, nur über Bürokratie“. Die, so will es die schwarz-rote Koalition, soll abgebaut werden, um Geld zu sparen. Wie viel, konnte Stegner nicht sagen: Das werde sich zeigen in dem Prozess, der gestern begann.

Am 1. April 2007 soll ein Gesetz über die Reform verabschiedet werden. Obwohl „wir diese Reform nicht für Landräte und Bürgermeister, sondern für die Bürger machen“, wie der CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sagte, werden die Bürgermeister und Landräte beruhigt hören, dass sie ihre Posten behalten: Die ehrenamtlich geführten Gemeinden bleiben, ebenso die hauptamtlichen Kreisverwaltungen. Die Ämter aber sollen demnächst für 8.000 bis 9.000 Menschen zuständig sein, das verringert ihre Zahl von 216 auf 160. Neues Instrument im Ämterkonzert sind so genannte „Dienstleistungszentren“, vier bis fünf an der Zahl, zuständig für 450.000 bis 850.000 Einwohner. Diese neuen Ämter sind aber keine neuen Ämter, versuchten Stegner und Carstensen zu erklären, sondern sollen nur „Zuständigkeiten bündeln“ und „Doppelungen vermeiden“. Sowohl das Land als auch die Kreise werden Aufgaben – genannt wurden die Tätigkeiten der heutigen Landesämter für Natur und Umweltschutz – in die neuen Zentren schieben: „Das füllt sich von beiden Seiten“, hofft Carstensen. Welche Aufgaben es genau sein werden, darüber soll in den kommenden Monaten diskutiert werden. Unklar ist auch noch, wer die Nicht-Behörden kontrolliert – sind es die Kreistage, das Landesparlament oder beide ein bisschen?

Zwei der Zentren sollen am Hamburger Rand entstehen, Standorte wollte Carstensen nicht nennen: „Ich werd‘ den Deubel tun.“ Denn um die Zentren wird es vermutlich Gezerre geben: Wer eines bekommt, wird später möglicherweise Kreisstadt eines der vier bis fünf Kreise, die sich Teile der Wirtschaft wünschen und die nicht zu Stande gekommene Koalition schon geplant hatte. Nicht, dass die schwarz-rote Koalition etwas an der Kreisstruktur ändern wollte. Aber Stegner ließ sich immerhin zu der Aussage überreden, er wolle die Kreise nicht „bis zum Ende des 21. Jahrhunderts festschreiben“ – da bleibt ja noch ein bisschen Zeit, den Flickenteppich Schleswig-Holstein neu zuzuschneiden. Esther Geißlinger