: Kreditsperre für Rußland
■ Internationaler Währungsfonds hält sich nach Wahl Jelzins nicht mehr zurück
Moskau (taz/wps/AFP) – Einen Warnschuß vor den Bug erhielt Rußland vom Internationalen Währungsfonds (IWF): Eine Kreditrate über 330 Millionen Dollar (etwa 500 Millionen Mark) wird „mit Verzögerung“ ausgezahlt, so ein IWF-Geschäftsführer am Dienstag in der New York Times. Es handelt sich um den Teil eines Dreijahreskredits zur Stabilisierung der Reformen in Höhe von insgesamt 10,6 Milliarden Dollar. Grund für die Kreditsperre: Rußland treibt zuwenig Steuern ein und vergrößert so sein Haushaltsloch um mehrere Milliarden Mark. Daß die Finanzvorgaben des IWF nicht eingehalten werden, war schon während des Präsidenten- Wahlkampfes angesichts der großzügigen Wahlgeschenke von Boris Jelzin klar. Mit der Wiederwahl des westlichen Favoriten am 3. Juli konnte der IWF nun seine Zurückhaltung aufgeben.
Einige Unternehmen haben sich angeblich vor den russischen Präsidentschaftswahlen aus Sorge vor einem Sieg der Kommunisten geweigert, Steuern zu zahlen, hieß es in der russischen Regierung als Grund für die fehlenden Milliarden. Die Steuerbehörde spricht von 12 Prozent weniger Einnahmen und einem daraus folgenden Defizit von 4,7 Milliarden Dollar.
Laut Andreij Illarjonow, einst Berater der liberalen Regierung unter dem Wirtschaftsreformer Jegor Gaidar, sind die fehlenden Steuereinnahmen zu 80 Prozent von Betrieben verursacht, denen der Finanzminister Steuererleichterungen gewährt habe.
Weshalb auch immer die Milliarden fehlen, die Finanzbehörden wollen nun verstärkt Geld eintreiben. Ob ihnen das bei den Betrieben gelingt, ist fraglich – trotz einer verwirrenden Vielfalt von Steuern und Abgaben in Rußland. Schließlich bedroht der Bankrott einen guten Teil des produzierenden Gewerbes und der andere Teil hat oft einflußreiche Freunde.
So verfällt die russische Regierung auf eine alte Masche: Sie holt sich das Geld im kleinen Grenzverkehr. Ab dem 1. August wird eine schärfere Einfuhrsteuer erhoben für die Güter, die von den Millionen Kleinhändlern persönlich über die Grenzen geschafft werden. Davon sind bis zu 20 Millionen Menschen betroffen, die nach China, in die Türkei oder Polen reisen und von dort weitgehend zollfrei Kleider, Süßwaren oder sonstige Konsumgüter importieren. Bisher mußten die Händler Einfuhrabgaben bezahlen, wenn sie Waren mit einem Wert über 2.000 Dollar einführten und gleichzeitig das Pech hatten, auf einen unbestechlichen Zöllner zu treffen.
Künftig will die Regierung schon ab einem Warenwert von 1.000 Dollar kassieren und die Korruption bei den Grenztruppen stärker bekämpfen. Bis die Russen mit ähnlich hohen Abgaben wie die westlichen Industrieländer belangt werden – im Schnitt 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – wird es noch einige Jahre dauern. Die Einnahmen des russischen Staates lagen im ersten Halbjahr 1996 nur bei neun Prozent des BIP. Und im Finden von legalen wie auch illegalen Lücken in den Steuergesetzen haben die Russen längst Anschluß an die Weltspitze gefunden. rem
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