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Krebserregendes ChromStrafanzeige gegen ThyssenKrupp

Ein Edelstahlwerk in Krefeld belastet Jugendliche mit krebserregendem Chrom und allergieauslösendem Nickel. Jetzt wurde deshalb Strafanzeige gestellt.

in NRW arbeiten noch immer Tausende für die Firma. Bild: dapd

BOCHUM taz | Deutschlands führender Stahlkonzern ThyssenKrupp hat die Umgebung seines Edelstahlwerks in Krefeld offenbar massiv mit krebserregendem Chrom und allergieauslösendem Nickel belastet. Das geht aus einer Strafanzeige (PDF) der nordrhein-westfälischen Umweltbehörden an die Staatsanwaltschaft Krefeld hervor, die der taz vorliegt. Beklagt werden darin "sehr hohe Tagesimmissionswerte von Nickel und Chrom im Feinstaub".

Ausgerechnet auf einem Schulhof in der Nähe des Stahlwerks sei im November 2010 ein Nickelgehalt von über 1.200 Nanogramm pro Kubikmeter Luft festgestellt worden -- der "zulässige Zielwert" liege bei nur 20 Nanogramm. "Einziger dort einwirkender Emittent" sei "das Edelstahlwerk der Firma ThyssenKrupp Nirosta" gewesen, hält die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf fest. Grund für den Giftausstoß war danach offenkundig Profitgier: Trotz defekter Abgasreinigung seinen in dem Stahlwerk "immer wieder neue Chargen angefahren" worden, klagen die Umweltkontrolleure.

Thyssen betreibt die Edelstahlproduktion in Krefeld seit über 100 Jahren. Wie in Bochum, Düsseldorf und im hessischen Dillenburg wird dort heute rostfreier Edelstahl hergestellt und unter dem Markennamen Nirosta vertrieben – der Standort des Werks heißt Krefeld-Stahldorf. Dort werden schon seit Jahren erhöhte Nickelkonzentrationen festgestellt: Die "gemessenen Jahresmittelwerte" überschritten die Zielwerte regelmäßig "um den Faktor 3 bis 4,5", heißt es in der Anzeige.

Die Strafanzeige

(PDF) der Staatsanwaltschaft Düsseldor zum Download.

Dabei reagieren in Deutschland Millionen Menschen allergisch auf das Metall, das Hautallergien und Ekzeme - die sogenannte Nickelkrätze - auslösen kann. Auch das ausgestoßene Chrom kann äußerst giftig sein: Chrom(VI)-Verbindungen gelten seit langem als krebserregend. Die tödliche Dosis liegt bei einem halben Teelöffel.

Die Staatsanwaltschaft Krefeld bestätigt bisher lediglich den Eingang der Anzeige. "Das Verfahren ist hier bei uns", so deren Sprecher, Oberstaatsanwalt Klaus Schreiber, zur taz. Details will Schreiber aber nicht nennen – schließlich habe der Anwalt von ThyssenKrupp noch keine Akteneinsicht erhalten. "Es ist bei uns nicht üblich, dass die Beklagten die Vorwürfe aus der Presse erfahren", sagt der Ermittler zur Begründung. Von ThyssenKrupp selbst war bislang keine Stellungnahme zu bekommen.

Doch der Weltkonzern mit Hauptsitz in Essen, der rund um den Globus rund 177.000 Mitarbeiter beschäftigt, dürfte politisch massiv Druck machen, um die Strafanzeige aus der Welt zu schaffen – in NRW arbeiten noch immer Tausende für die Firma. Die Krupp-Stiftung als gilt als einflussreicher Mäzen, hat etwa der Stadt Essen den Neubau ihres Folkwang-Museums spendiert.

"Aufgrund der Erfahrungen mit dem ThyssenKrupp-Konzern", warnen Ministeriale Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel deshalb schon heute, werde damit gerechnet "dass sich der Vorstand der Firma ThyssenKrupp Nirosta anlässlich der Einschaltung der Staatsanwaltschaft kurzfristig an die Hausspitze" wenden werde, heißt es in einer Vorlage aus Düsseldorf, die der taz vorliegt. Und sollte die Intervention bei dem grünen Minister Remmel nicht reichen, werde Thyssen Krupp eben an eine einflussreiche Sozialdemokratin appellieren - "an Frau Ministerpräsidentin Kraft".

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2 Kommentare

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  • GM
    Gosig Mus

    Verstehe den Untertitel nicht... Das Werk belastet Jugendliche? Wieso grade Jugendliche? Im Text kein Wort dazu.

  • WS
    Wolfgang Schmidt

    "Sicherheit geht vor!" hat die Kanzerlin heute mit Blick auf die deutschen Atomkraftwerke gesagt. Das sollte im Fall ThyssenKrupp auch gelten, wie auch in jedem anderen und weiteren Fall. Sollte die Strafanzeige unter den Tisch fallen, wäre das ein Freibrief Großkonzerne für's "Vergiften" und "Töten".

    Es reicht mit den Katastrophen und Umweltvergehen aufgrund von Sparmaßnamen und Profitgier der Großkonzerne. Da leben wir lieber ohne die sozialen Allmosen mit denen sich die Konzerne versuchen ein reines Gewissen und Stillschweigen zu erkaufen.

    Bitte, liebe taz, dran bleiben und berichten und der Kanzlerin und dem Umweltminister vorlegen!

    Denn eine solche Sache ist auf die Dauer auch ein kleiner GAU.