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Kreatives Zentrum feiert GeburtstagMit Kunst der Armut trotzen

In der "Gitschiner 15" werden Arme weniger als Bedürftige denn als Menschen mit kreativen Talenten behandelt. Heute feiert das Zentrum zehnten Geburtstag.

Auf der Gitschiner Straße in Kreuzberg tost der Verkehr, die U1 rattert über die Hochbahntrasse. Umso unerwarteter ist das Idyll, das den Besucher im Hof der Nummer 15 erwartet. Sonne, Stühle und Bänke laden zum Platznehmen ein. Getränke und kleine Snacks werden zum Selbstkostenpreis angeboten. Wer keine 40 Cent für den Kaffee hat, bekommt ihn auch schon Mal kostenlos. Männer und Frauen unterhalten sich, andere genießen die Sonne, wieder andere spielen Schach. Hunde dürfen mitgebracht werden, aber nur angeleint. Das Café in der Gitschiner 15 ist der Mittelpunkt des "Zentrums für Gesundheit und Kultur gegen Ausgrenzung und Armut".

"Das Zentrum versteht sich als unbürokratische Volkshochschule mit kostenlosen Kreativangeboten", erklärt Christiane Pförtner, eine der Koordinatorinnen. Wochentags nutzten im Schnitt 100 Menschen die Angebote, davon ein Drittel Frauen. Die Gitschiner 15 sei eine Ergänzung zu klassischen Obdachlosen- und Armenhilfen wie Essen-Ausgaben und Wärmestuben. Hier stehe nicht die Bedürftigkeit der Gäste im Vordergrund, sondern die Förderung von Fantasie und eigenen Fähigkeiten. "Egal ob ein Gast wohnungslos, arbeitslos oder frei von sozialen Problemen ist, die Menschen können hier zusammen kommen, um miteinander kreativ zu sein", so Pförtner.

Passend zur Philosophie lautet das Motto der Einrichtung: Kunst trotz(t) Armut. Für die Kreativität gibt eine Holz- und eine Fahrradwerkstatt, verschiedene Kursangebote, einen Musikraum mit diversen Instrumenten, einen Chor und eine Theatergruppe. Man kann aber auch Sozial- und Gesundheitsberatungen in Anspruch nehmen.

Am heutigen Dienstag feiert die Volkshochschule für Obdachlose und Arme ihr zehnjähriges Bestehen. Auch Rolf Müller* wird beim Festakt mitwirken. Er ist einer der Stammgäste, ein aufgeschlossener, fröhlicher Mann, der sofort zu erzählen beginnt. Täglich komme er hier her. "Ich wohne am Mehringplatz und bin Rentner", berichtet der gebürtige Hamburger. Die Rente reiche kaum zum Leben. Auch soziale Kontakte habe er außerhalb des Zentrums nur wenige. "Wenn es das Haus hier nicht gäbe, ich wüßte nicht wohin." In der Gitschiner 15 spielt er Theater, malt - und vor allem singt er im Chor.

Wenn Müller von Chorleiterin Josi erzählt, gerät er ins Schwärmen. Josi ist Jocelyn B. Smith, die aus New York stammende bekannte Jazz- und Soul-Sängerin. Seit sie vor vier Jahren von dem Sozialprojekt erfuhr, ist sie eine der prominentesten Unterstützerinnen der Gitschiner 15. Sie gründete mit den Gästen den Gospelchor "Different Voices of Berlin". "Eigentlich proben wir alle zwei Wochen mittwochs", so Müller, "aber wegen der Auftritte nächste Woche und im November proben wir zur Zeit jede Woche." Zu Josi fallen ihm zig Annekdoten ein, die er lachend erzählt: Wie sie ihn wegen vorlauten Verhaltens einmal aus der Probe geworfen hat oder wie er mit einem 95-jährigen Chormitglied eines Tages beschloss, den Chor aufzumischen.

Am Nachbartisch von Rolf sitzen Erich und Murat und spielen Schach. Sie werden unterhalten von Hotte und seiner Mundharmonika. Hotte, Mitte 70, ist ein wahrer Virtuose auf der Mundharmonika. Er spielt alles vom Schlager bis zum Walzer. "Am liebsten ist mir die Volksmusik", sagt er. Nach jedem Lied strahlt Hotte und bekommt Applaus von den Schachspielern.

Rolf zeigt auf den Mann auf der Bank neben ihm. "Das ist Ecki, unser Vorzeigewohnungsloser", sagt er und lacht. "Außer Ecki und Mo haben wir gar keine Obdachlosen." Auch die anderen am Tisch sind sichtlich stolz auf ihre eigenen vier Wände. Ein Grund für die gute Stimmung unter den Gästen ist für Christiane Pförtner der respektvolle Umgang miteinander. "Höflichkeit und Aufmerksamkeit sind die elementaren Umgangsformen. Wir ziehen Leute an, die das wertschätzen. Die sich einen Rest an Würde bewahren wollen."

Doch es fehlt an Geld - und das macht die Zukunft des Projekts ungewiss. Die meisten Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich. Um an neue Mittel zu kommen, wurde vor zwei Jahren unter dem Motto "Schenken Sie neuen Lebensmut" ein Patenprojekt ins Leben gerufen: "Kunst-Quadratmeter für Paten". Gesucht sind Förderer, die das Zentrum mit einer Jahresspende von 500 Euro unterstützen. Als Dankeschön gibt es ein ein Quadratmeter großes Bild geschenkt. "Wir nehmen unseren zehnten Geburtstag zum Anlaß nach neuen Paten zu suchen.", sagt Pförtner. "Im November läuft die halbe Stelle, die wir derzeit finanziert bekommen, aus. Wir werden sehen, wie es weiter geht."

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