Kreative Fußballfans: Kunst und Verbrechen

Bei Schalke gibt es Kunst zu sehen – schöner, als es die Polizei erlaubt. Andernorts ist gar nichts erlaubt, nicht einmal das betreten der Stadt.

Riesentransparent, das vom Stadionsdach bis zum Rasenreichtr und einem Menschen im Schalke-Trikot zeigt

Verbotene Kunst: Der Rauch, der das Trikot auf dem Transparent blau färbt, beschäftigt die Polizei Foto: dpa

Meistens ist es ja keine große Kunst, die man zu sehen bekommt, wenn der FC Schalke 04 zu einem Spiel lädt. Am vergangenen Wochenende war das anders. An den bei der Niederlage gegen den SC Freiburg wieder einmal überforderten Spielern des Klubs lag das nicht. Die Künstler kamen aus der Kurve. Fans hatten eine Choreografie hinter das Tor gezaubert, die ihresgleichen sucht. Ein dreidimensionales Riesentransparent zeigte einen Mann, der mit dem Finger auf das Klubwappen auf seinem weißen Trikot zeigt.

Hinter dem riesigen Lappen war auf einem Spruchband zu lesen: „Für Schalke – alles geben“. Dann passierte etwas, das mittlerweile in der ganzen weiten Fußballwelt für Staunen gesorgt hat. Von unten her färbte sich das Trikot auf dem Transparent nach und nach, bis es am Ende in schönstem Königsblau gestrahlt hat.

Das war schöner, als es die Polizei erlaubt, wie man heute weiß. Den Färbungseffekt erzielten die Macher der Choreo, indem sie blaue Rauchtöpfe entzündet haben. Es war also Pyrotechnik im Spiel. Das sei so nicht abgesprochen gewesen, erklärte die Polizei Gelsenkirchen und kündigte an, kein Sicherheitskonzept mehr zu genehmigen, wenn in der Kurve eine große Aktion geplant werde.

Aber hätte man es überhaupt absprechen können? Gewiss nicht. Pyrotechnik ist nicht genehmigungsfähig in deutschen Stadien. Und was wäre die Choreo wert gewesen ohne den Färbungseffekt? Nicht allzu viel. Nun werden Strafverfahren eingeleitet, ließ die Polizei mitteilen, was man getrost als einen Angriff auf die Kunstfreiheit bezeichnen kann.

Verbrecher unterwegs

Ja, der blaue Rauch ist auf das Spielfeld gezogen und hat dafür gesorgt, dass die Partie nach vier Minuten unterbrochen werden musste. 71 Sekunden hat die Unterbrechung gedauert. 71 Sekunden, in denen das Schalker Publikum vom Spiel ihrer Mannschaft verschont worden ist. Der durch die Rauchentwicklung entstandene Schaden hält sich also durchaus in Grenzen. Und doch stehen am Ende die fantasievollen Kurvenchoreografen wie Verbrecher da.

Wie Verbrecher werden auch Fans von Union Berlin behandelt, die zum Europa-League-Spiel der Ihren gegen Saint-Gilloise ins belgische Leuven reisen wollen. Solche Reisen unternehmen fußballverrückte Anhänger auch, wenn sie keine Karten für das Stadion haben. Solche konnten sie in diesem Fall gar nicht kaufen, war dem Berliner Klub doch verboten worden, Tickets an seine Fans auszugeben. Das war die Strafe für das Verhalten einiger Fans in Malmö, wo mit Leuchtraketen auf den Rasen geschossen wurde und ein Mega-Böller direkt vor der Tribüne explodiert ist. Wer genau dafür verantwortlich ist, wird noch ermittelt.

Union-Anhänger bestraft

Bestraft wurden indes alle Union-Anhänger. In Leuven wurde ein „Betretungsverbot“ für sie dekretiert. Der Berliner Klub warnte seine Fans mit diesem Satz vor einer Reise nach Belgien: „Die Polizei Leuven wird auf Basis dieses Dekrets zwischen dem 3. November (ab 10 Uhr) und dem 4. November 2022 (bis 10 Uhr) Union-Fans ohne gültiges Ticket im Stadtgebiet von Leuven und in den angrenzenden Teilgemeinden festsetzen.“

Unions zwölfte Männer müssen also draußen bleiben. Fragen, ob das nicht eine Grundrechtsverletzung bedeute, drängen sich auf, auch wenn man diese angesichts des menschenverachtenden Grenzregimes und der beinahe schon alltäglichen Pushbacks an den Enden der EU vielleicht nicht allzu laut stellen sollte.

Der Union-Flieger, den die Fans auf einem Riesentransparent in der vorvergangenen Woche vor der waldseitigen Tribüne des Stadions an der Alten Försterei verewigt haben, muss jedenfalls am Boden bleiben. Auch diese Choreo war große Kunst. In Leuven, der Stadt, die die älteste Universität Belgiens beheimatet, hat man für so etwas eher keinen Sinn.

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