Interview: Manfred Mahr: Kreativ abweichend
■ Der kritische Polizist über den Apparat
taz: Der Polizeiapparat verlangt Befehl und Gehorsam. Kann ein hierarchisches System überhaupt demokratische Polizisten hervorbringen?
Manfred Mahr: Die Hierarchie ist ein Teil des Problems; sie ganz abzuschaffen, kann aber nicht das Ziel sein. Vor allem müssen eigenverantwortliche Polizisten politisch gewollt sein. Wenn Beamte mit einem Verantwortungsgefühl gegenüber den Menschen und nicht in erster Linie gegenüber ihren Vorgesetzten in den Dienst entlassen und durch Fortbildung gestützt würden, ergäbe sich ein ganz anderes Selbstverständnis.
Welches denn?
Ein schon von Vorgesetzten verkörpertes Grundverständnis, daß abweichende Meinungen als kreativ und nicht als störend angesehen werden.
Sollte man also Befehl und Gehorsam abschaffen?
Nein, aber es müßte für Polizisten in Ausnahmefällen möglich sein, einen Befehl aus Gewissensgründen zu verweigern.
Schon einmal in der deutschen Geschichte hat das reine Befehlsempfängertum verhehrende Folgen gehabt. Würden Sie das vergleichen wollen?
Man muß sich schon fragen, warum 95 Prozent der Polizei sich 1933 problemlos gleichschalten ließ, und es heute besser machen. Zivilcourage kann nicht erst geübt werden, wenn ein System kippt. Wann, wenn nicht unter den Bedingungen der Freiheit, können Beamte lernen, „Nein“ zu sagen? Und was außer Kollegenschelte kann heute einem Polizisten, der nicht schweigt, schon passieren?
Fragen: Silke Mertins
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