■ Vom Nachttisch geräumt: Krankheit zum Tode
Er hat sich vorbereitet. Der letzte Band der Tagebücher Klaus Manns sammelt die Aufzeichnungen der Jahre 1944 bis zum Selbstmord 1949. Die letzten Monate der Nazi- Herrschaft, Manns erster Nachkriegsbesuch in München, die Enttäuschungen über die politischen Entwicklungen im befreiten Europa. Klaus Mann liest und schreibt weiter wie ein Besessener. Er ist Soldat der amerikanischen Armee. Manchmal steht zwischen den Aufzeichnungen über gelesene Bücher und geschriebene Aufsätze, zwischen Angaben über Drogenkonsum, Kino-, Barbesuche und junge Männer: „Zeltaufbau“. In der Army arbeitet er an Entwürfen von Flugblättern an die deutschen Soldaten. Er wird auch eingesetzt für Gefangenenverhöre und als Kriegsberichterstatter.
Der Blick des Lesers konzentriert sich freilich ganz automatisch auf alles, das auf den immer deutlicheren Fluchtpunkt all dieser Aktivitäten, seinen Selbstmord, hinweist. Da heißt es gleich zu Beginn immer wieder: „religiöse Notizen“. Johannes vom Kreuz gehört zu seiner Lektüre oder Kierkegaards Die Krankheit zum Tode, Schopenhauers Über den Selbstmord. Am 30.September notiert Klaus Mann: „An den Tod gedacht, ihn begehrt, erwartet, erhofft — jede Stunde dieses langen, ermüdenden Tages.“ Dazwischen: „angenehmes Leben mit H.“, ein gescheiterter Selbstmordversuch, Entzugskuren, ein Waschzettel für die Dialektik der Aufklärung und dann am 1.Januar 1949 der Eintrag: „Ich werde diese Notizen nicht weiterführen. Ich wünsche nicht, dieses Jahr zu überleben.“ Die Zusammanrbeit mit Rosselini und der Rechtsstreit der beiden, das Goering-Interview, die Notizen zum Vater — all das nimmt man bei der ersten Lektüre kaum wahr, so wird man hineingezogen in Klaus Manns „Krankheit zum Tode“.
Klaus Mann: Tagebücher 1944-1949. Hrsg. von Joachim Heimannsberg, Peter Laemmle und Wilfried F. Schoeller, edition spangenberg, 308Seiten, 29,80DM.
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