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Kraft ohne Zukunft

■ Gewichtheben dümpelt in Hamburg vor sich hin: Keine Hoffnung auf Olympia

In der Osterbekstraße steht eine alte Gymnastikhalle: Roter Ziegel, baufällig. Denen, die dort aktiv sind, ist das egal: Bei den Gewichthebern vom Bramfelder Kraftsport-Verein (BKSV) zählt nur kaltes Eisen. Beim Reißen und Stoßen schwellen die Muskeln, und unter dem Druck der unnatürlichen Last treten die Adern vor, als sei das Blut auf der Suche nach einem Fluchtweg. Tonne um Tonne bewegt sich das Metall gegen die Kraft der Erdanziehung. Nahezu ohne Ausnahme sind es Jugendliche, die für Sekunden das Gewicht zur Hochstrecke bringen.

Eine schweißtreibende Schinderei, die den BKSV 10.000 Euro im Jahr kostet. Als Lohn gibt es Pokale und Titel bei Deutschen Meisterschaften. Alexej Muravev (15) zum Beispiel war in der C-Jugend Erster. Dreimal siegte Andrej Schleiermacher (18), sein Bruder Konstantin (16) stand im Nationalkader, und Wilhelm Schwabauer (19) zählt zum Kreis der deutschen Talente. „Die vier gehören zu den Besten der Republik“, schwärmt BKSV-Vorsitzender Bernd Schönrock (37) und fügt gleich an: „Damit ist es wohl bald vorbei.“ Die ABM-Stelle von Trainer Johann Martin (54) wurde nicht verlängert. Seit Februar ist der Diplomsportlehrer ohne Job. Nicht ausgeschlossen, dass er demnächst bei einem Klub in Thüringen oder Sachsen anheuert.

„Der Bundesverband hat kein Geld, und der Hamburger Sportbund kann nur eine halbe Stelle finanzieren“, erklärt Schönrock. Da der HSB aber nicht als Arbeitgeber auftreten wird, müsste ein Verein einspringen und den Rest des Gehalts tragen. Dem BKSV fehlen dafür rund 18.000 Euro. Von der Politik erwartet Schönrock keine Hilfe. „Da wird viel geredet.“

Obwohl Gewichtheben seit jeher zu den olympischen Sommerspielen gehört, sieht der Funktionär keine Perspektive durch die Bewerbung Hamburgs als Olympiastadt. „Das Geld fließt in PR-Aktionen und medienwirksame Veranstaltungen. Trainer sind da nicht eingeplant“, unkt Schönrock und bemerkt: „Man will die Spiele, aber woher die Athleten kommen, ist völlig egal.“ Gunter Sosna

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