: Kostümabteilung gab alles
Holdselige Jungfrauen bei Richard Wagners „Lohengrin“ an der Kölner Oper. Einen Monat nach der Dreigroschenoper-Pleite in Berlin gab Klaus Maria Brandauer sein braves Debüt als Opernregisseur
VON REGINE MÜLLER
Die Kölner Oper braucht dringend einen Erfolg. Nach der letzten, verhagelten Spielzeit startete man am letzten Samstag mit großem Auftrieb in die Jubiläumsspielzeit. Die Kölner Oper feiert ihren 50. Geburtstag. „Brandauer inszeniert Lohengrin“ kündigen Plakate marktschreierisch den neuesten Clou am Offenbachplatz an, wo man unverdrossen auf Opern-Debütanten mit klangvollen Namen setzt. Der Nimbus des charismatischen Groß-Schauspielers ist die Marke, die Kasse machen soll, nicht das Werk.
Zumindest am Premierenabend schien die Rechnung aufzugehen: Volles Haus, gespannte Stimmung, Gewisper: „Wo ist er denn, der Brandauer?“ Da spielt es keine Rolle, dass spätestens seit seiner Berliner Dreigroschenoper-Pleite vor knapp einem Monat zu erwarten stand, dass Brandauer im Regiefach bestenfalls Hausmannskost zuwege bringt. Aber das war es ja wohl gerade, worauf man sich insgeheim freute, hatte der Mime doch in zahllosen Interviews klar Stellung gegen das verhasste Regietheater bezogen und sich – nicht zum ersten Mal – als beinharten Traditionalisten geoutet. Wer meint, dass dergleichen unsexy macht, irrt. Im Gegenteil, das Anti-Intellektuelle kommt wieder schwer in Mode.
Trockeneis-Nebel wabert um kahle Betontürme, auf deren Spitzen dürres Efeu wuchert. Kantige Blitze zucken am Nachthimmel um eine gespaltene Eiche, als sich der Vorhang hebt. Die düstere Szenerie (Bühne: Ronald Zechner) deutet Zeitlosigkeit an und spielt dezent mit Fantasy-Versatzstücken. Doch dann kommt der Chor und alsbald wird es stilisiert mittelalterlich auf der Bühne und ziemlich eng ob der ausstaffierten Massen. Wallende Gewänder holdseliger Jungfrauen, Schleppen und Schleier, knarzende Rüstungen, Helme, Kettenhemden: Die Kostümabteilung (Kostüme: Petra Reinhardt) hat alles gegeben. Die Farbregie ist dafür schlicht: Weiß ist gut, schwarz ist schlecht, rot ist mächtig. Kapiert?
Immerhin hat das Auge damit zu tun, denn mit den handelnden Personen geht der Regisseur um wie mit rohen Eiern. Er mutet ihnen nichts zu, führt sie bedächtig und immer hübsch an der Rampe entlang. Wenn sie singen, dürfen sie bequem stehen, nichts stört die Statik der Bilder. Auch die hervorragend einstudierten Chormassen haben einen gemütlichen Abend, stehen ordentlich nach Stimmgruppen sortiert und halten still, wenn vorne agiert wird.
So arbeitet sich Brandauer naiv am Text entlang, riskiert fast nichts und hat offensichtlich keine Idee, was er da erzählen will. Nur ein Märchen? Von politischen Implikationen wolle er nichts wissen, hatte er im Vorfeld zu Protokoll gegeben, die privaten Konflikte interessierten ihn.
Aber auch die werden nicht brisant, weil die Personen kaum Charakter entwickeln, sieht man einmal von Dalia Schaechter ab. Deren „Ortrud“ fällt auf, freilich mit arg konfektionierter Dämonie. Auch das Problem mit dem Schwan löst Brandauer wörtlich und ungeschickt: Ein lebensgroßes Papptier wird wie ein Pokal wackelnd durch den Chor gereicht. Immerhin ist der Schwanritter Lohengrin groß, glänzt weiß-silbern wie ein Astronaut, hat ein mächtiges Schwert und singt trefflich.
Wie überhaupt die musikalische Seite des Abends unter der Leitung von Markus Stenz mit kleinen Abstrichen hörenswert ist und penibel vorbereitet scheint. Schon das heikle Vorspiel glückt ohne Schrammen und Wackler. Die Sängerschar wird überstrahlt vom Titelhelden, dem Klaus Florian Vogt die sportliche Statur und den durchschlagskräftigen, doch auch zart singenden Tenor verleiht. Camilla Nylund ist als „Elsa“ erkennbar allein gelassen von der Regie, darf bloß entrückt sein, dafür aber mit lyrischem Schmelz singen. Dalia Schaechters „Ortrud“ klingt unausgeglichen und forciert, immerhin rollendeckend, Krister St. Hills wohltönender Bariton gibt einen etwas harmlosen „Telramund“, nicht in Form ist Reinhard Hagens „König Heinrich“, fulminant Samuel Youn als „Heerrufer“. Die musikalische Präzision ist beeindruckend. Markus Stenz gibt flächtige Tempi vor, wird aber niemals breiig und versteht sich aufs kammermusikalische Durchleuchten des Geschehens.
Es hätte also ein großer Abend werden können. Den Verächtern des Regietheaters indes war es ein Fest, heftige Akklamationen und Bravi übertönten die kleinere Fraktion der Buhrufer. Brandauer, der immerhin sein spätes Erscheinen vor dem Vorhang auf den Punkt inszenierte, nahm die Proteste gelassen. Der politischen Rückendeckung darf sich der unpolitische Regisseur ohnehin sicher sein.
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