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Konzert der Unermüdlichen

■ Die Wüste lebt (6): Eine Bestandsaufnahme der Bremer Kultur – heute: die freie Musikszene

310 000 Mark jährlich für die Musik, bezahlt aus dem ominösen „Lottotopf“ des Kulturressorts: eine unsäglich bescheidene Summe in einer Stadt von rund 600.000 EinwohnerInnen. Damit können kulturpolitische Setzungen, gar noch welche mit Perspektiven, kaum oder gar nicht gemacht werden. Was der freien Musikszene bleibt, ist der andauernde unbezahlte, idealistische Einsatz ihrer engagierten Kräfte. Aber auch die müssen sich – egal, wie wenig sie aus dem Lottotopf bekommen – fragen lasse, was sie mit den Kleckerbeträgen leisten wollen.

Einige Beispiele: Der „Arbeitskreis Bremer Komponisten“, von dem man allerdings auch weder einfallsreiches noch konzeptionell durchschlagendes hört, erhält nur noch 4000 Mark. Davon kann er noch nicht einmal ein Konzert veranstalten. Das Forum Alte Musik – ein Verein – erhält 10 000,-. Das Forum bietet Laien, aber auch BerufsmusikerInnen, die sich auf dem Gebiet der Alten Musik weiterbilden wollen, etwa. 15 Wochenendkurse pro Jahr an. Idealismus und unbezahlte Arbeit hält den Betrieb aufrecht. Die Ausstrahlung des Forums ist überregional, wobei „die Konkurrenz enorm wächst“, sagt Sprecherin Veronika Greuel.

Die MIB (MusikerInnen Initiative Bremen) darbt in wahrstem Sinne des Wortes mit 15.000 Mark. Das ist scheinbar viel im Verhältnis zum Gesamttopf. Und doch ist es so wenig, daß die Besten schon vor Jahren abgewandert sind: Sigi Busch und Uli Beckerhoff sind traurige Beispiele dafür. Der Aufbau kontinuierlicher Kurse, der erst so etwas wie die Existenz einer Szene erlauben würde, bleibt daher eine Utopie. Trotzdem ist die Betreuung der Rockamateurszene, besonders der Jugendlichen, gelungen: Die Stadt hat mittlerweile 20 Bunker angemietet, in denen ungefähr 120 Bands spielen können.

Das „Archiv Deutsche Musikpflege“ katalogisiert und verwaltet Nachlässe. Eine etwas urige Bremensie, mit der die ehrenamtlich arbeitenden drei Personen – zwei Pensionäre und ein Student – gerne Notenmaterial an interessierte Laien sowie MusikstudentInnen abgeben wollen. Die gelegentlichen Konzerte des Archivs stützt die Sparkasse, der ja überhaupt eine Menge im Kulturleben zu verdanken ist. Im wahrsten Sinne des Wortes zu verdanken, denn Herr Rebers besteht auf der patriarchalen Vergabe der Gelder, die einer persönlichen Gnade gleichkommt.

Einen unvergleichlich hohen Betrag – den höchsten aus dem Lottotopf – erhält die „projektgruppe neue musik“, nämlich 50.000 Mark pro Jahr. Dafür liefert sie nun im fünften Jahr an einem Wochenende vier hochrangige Konzerte, zwei wissenschaftliche Podien und die Herausgabe eines Readers zu einem aktuellen ästhetischen Thema. Bei diesem Aufwand und Output ist klar, daß auch hier die gesamte Arbeit von den Mitgliedern der Gruppe ohne irgendwelche Honorare gemacht wird. Die Fördersumme garantiert allerdings ein Niveau, das die „projektgruppe“ überregional ins Gespräch gebracht hat.

Dann gibt's noch ein bißchen was für allgemeinen Deutschen Sängerbund, die Zupf- und Zithermusikverbände, die Folkinitiative, den Wettbewerb „Jugend musiziert“, aus dem die meisten BerufsmusikerInnen hervorgehen, den „Brahms-Chor“, das Barockorchester „Fiori Musicali“ und, und, und.

So läppern sich einige Förderposten zusammen. Aber zusammengenommen sind die knappen „Lottomittel“ für die Musikszene noch weniger als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Das bedeutet auch, daß sich die berechtigte politische Forderung nach deutlich definierten Vergabekriterien leider ins Leere läuft. „Wir können es uns doch nicht aus den Rippen schneiden“, erklärt Barbara Loer, Sprecherin des Kulturressorts. Leider wahr; und so bleibt für die Behörde der gute Wille und für uns die Hoffnung, daß eine Förderungsstruktur, die sinnvoll Events, den Mittelbau und die Soziokultur zueinander vermittelt, erst entsteht, wenn... Aber was soll's, es ist eben nicht.

Warum das Konzertleben trotzdem blüht, dafür steht noch eine dritte Gruppe gerade: „Institutionen“, die überhaupt keine staatlichen Gelder beziehen. Hier ist das Bremer Musikfest zu nennen, dessen Förderung durch öffentliche Haushaltsmittel ja nur ein Zehntel des Etats ausmacht. Das Musikfest lebt ausschließlich von Sponsoren, die – animiert von Thomas Albert – einzelne Konzerte finanzieren. Diese meist fabelhaften Konzerte verprellten letztes Jahr allerdings nicht wenige MusikliebhaberInnen: Die PR-Veranstaltungen in schnittigen Werften und nach Kaffee und Autos riechenden Lagerhallen wollte diese ZuhörerInnen dann doch nicht durch ihre Anwesenheit zieren.

Zum Musikleben gehört nicht zuletzt auch Radio Bremen. Der Sender bietet derzeit eine Reihe interessanter Reihen und Projekte – in Neuer Musik erheblich mehr als in Alter Musik. Ob „Pro Musica Nova“, zu Hans Ottes Zeiten ein weltberühmtes Festival, sich je wieder wird aufrappeln können, ist schwer zu sagen: Die letztjährige Einfallslosigkeit „Bremer Komponisten“ kam schon einem Todesstoß gleich und könnte nur noch von „Schwachhauser Komponisten“ überboten werden.

Die Musiketats, die die Kantoren von der Kirche zur Verfügung bekommen, reichen nicht aus, um die großen Oratorien aufzuführen. Das zwingt zu allerlei Kompromissen, und somit zu permanenten Repertoire-Wiederholungen. Die Kirche muß gut besucht sein – und da sitzen nicht nur Dom-Kantor Wolfgang Helbich die Kirchenvorstände im Nacken: Weihnachtsoratorium, Messias, Matthäus-Passion.... da bleibt nur sehr gelegentlich Raum für Neues. Die geplante Aufführung des Berlioz'schen Requiems zum Beispiel ist eine Sensation für Bremen.

Und nicht zuletzt profitiert die ausschließlich wirtschaftlich arbeitende Konzertagentur Praeger & Meier „von dem enorm veränderten Rezeptionsklima“. Die Arbeit von Praeger & Meier hat sich – ebenfalls ohne einen Pfennig Zuschuß – in den letzten Jahren selbst sehr positiv auf das Bremer Klima ausgewirkt: Historische Aufführungspraxis, vormals Privileg des Musikfestes, z.B. von Frans Brüggen – das gibt's auch da.

Zusammen mit den Konzerten aus der Soziokultur – Lagerhaus, Westend, Schlachthof und Wehrschloß – , zusammen mit denen in der Hochschule für Musik, mit den Musikangeboten der Angestelltenkammer und vielem anderen mehr, wirkt alles in allem als ein relativ gut funktionierendes Gefüge, weil alle Rädchen schön ineinandergreifen. Staat allein geht nicht, privat allein geht nicht, Sponsoring allein geht nicht – aber die aufkommende Praxis der Mischfinanzierung, um die wir auch gar nicht mehr herumkommen, trägt in Bremen schon erste, gute Früchte. Leider zeigt diese Praxis aber auch, wieviel hier von energischer Initiative abhängig ist, auf Leute, die zunächst nicht auf das Geld schaut. Das kann genauso kreativ sein wie es lähmen kann. Hat Albert keine Lust mehr, schmeißt die „projektgruppe“ den Laden hin, gibt die MIB auf oder möchte Ingo Ahmels noch mehr Sicherheit, ja, dann sieht's trübe aus in Bremen. Dann kann Kultursenatorin Helga Trüpel noch so schöne Faltzettel über ihre „Zehn Thesen“ entwerfen und verteilen lassen. Die Lächerlichkeit des bremischen Kulturetats erfordert weiterhin unmißverständliches Eintreten für eine Erhöhung, die sich mindestens in der Höhe der Empfehlung des deutschen Städtetages bewegt: Drei Prozent des Gesamtetats für Kultur, nicht weniger. Erst Arbeit, dann Kultur: Das haut eben nirgendwo und niemals hin.

Ute Schalz-Laurenze

Die Autorin ist Mitglied der projektgruppe neue musik e.V.

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