hamburg heute : „Kontroversen genug“
Das Projekt „Corpus Coranicum“ liefert eine Interpretation des Korans im historischen Kontext
Nach islamischer Tradition ist Tafsir – also die Interpretation des Korantextes – nur islamischen Gelehrten vorbehalten. Nicht schwer vorstellbar, dass sich die europäischen Islamwissenschaftler nie daran gehalten haben und es auch heute nicht tun. Im Rahmen des Projekts Corpus Coranicum versuchen deutsche Wissenschaftler den Koran innerhalb seines historischen Kontextes zu interpretieren.
Das Projekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften will nicht auf Konfrontationskurs mit der muslimischen Gelehrsamkeit gehen. „Wir stehen im regen Austausch mit islamischen Geistlichen“, versichert Michael Marx, einer der Leiter des Projekts. Während die westlichen Islamwissenschaftler zuletzt Mohammed als Verfasser des Korans (Wansborough) und den Islam als eigenständige Religion (Luxenberg) in Frage stellten, hält Marx solche Ansätze für „fundamentalistisch“. Seiner Meinung nach ist es sogar wahrscheinlich, dass der Koran in seiner heutigen Form genau das wiedergibt, was Mohammed vor 1400 Jahren seinen Gläubigern auf der arabischen Halbinsel gepredigt hat. Dem Projekt wird deshalb von manchem Islamwissenschaftler vorgeworfen, „auf Kuschelkurs“ mit den islamischen Gelehrten zu sein.
Marx widerspricht dem und sagt, es gebe Kontroversen genug. „Unser textkritische Zugang zum Koran hat schon mehrfach zu Auseinandersetzungen mit islamischen Geistlichen geführt“, so Marx. Das Projekt läuft nun bereits seit zwei Jahren. Heute Abend sollen in Hamburg die ersten Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt werden. CJT
Vortrag zu „Corpus Coranicum“ heute ab 19.00 in der Katholischen Akademie, Herrengraben 4, Eintritt 6,50 Euro, ermäßigt 4,00 Euro