: „Kontrollierte, vermittelte Angriffe“
Der folgende Text zum diesjährigen 1. Mai in Kreuzberg erschien Anfang März in der Berliner Autonomen-Zeitschrift 'Interim‘ / Randale erst nach dem Fest? ■ D O K U M E N T A T I O N
(...) Am 1. Mai guckt ganz Deutschland nach Kreuzberg. Am 1. Mai sind alle von uns und unserem Umfeld mobilisiert. Und schließlich ist am 1. Mai schon immer internationaler Arbeiterkampftag (leider historisch nicht auch Arbeiterinnenkampftag; dazu sollten wir ihn allerdings machen) gewesen, nicht nur in der autonomen Szene. Wir haben an diesem Tag eine ganze Menge Trümpfe in der Hand, die wir sonst nicht haben.
Wenn wir jetzt die Bullengewalt und die Medienhetze ins Leere laufen lassen und dafür was Positives rüberbringen, gibt uns das ein Stück Stärke und Anziehungskraft nach außen zurück! Konkret heißt das natürlich nicht, daß wir allen Aktionen etc. entsagen sollen, im Gegenteil. Ich fänd's stark, eine machtvolle Demo mit vielen Leuten, einen machtvollen Block und bestimmte, kontrollierte und vermittelte Angriffe zu machen. Da kämen die üblichen Objekte in Frage: Sexshops, Spielhallen, Banken, als diejenigen, die wir mit Redebeiträgen, Flugis und Parolen auch während der Demo und danach am besten vermitteln können.
Wir sollten uns auf Spalier vorbereiten, und dies so diskutieren, daß wir es verhindern können. Wir sollten weiterdiskutieren, wie wir uns gegen das Vermummungsverbot wehren können. Prinzipiell war die Demo letztes Jahr schon ziemlich korrekt, bloß daß die Vorzeichen und die Repression diesmal ungleich stärker sind - was heißt, daß auch wir besser vorbereitet und stärker sein müssen. (...) Ein weiterer Angriffspunkt war letztes Jahr der Übergang von der Demo zum Fest. Den Fehler, die Demo diesmal am Herrmannplatz enden zu lassen, so daß mehrere Tausend Leute unorganisiert und in einzelnen Gruppen alleine zum Fest müssen, sollten wir nicht wiederholen. Besser wäre, die Demo so nahe am Fest enden zu lassen, daß die Bullen nicht an uns ran können. Gut fände ich's, wenn wir diesmal aufs Fest gute Laune statt Tränengas von den Bullen mitbringen würden. Wenn's auf dem Fest abgeht, machen wir unsere eigene Kultur kaputt! (...) Das Fest bietet eine weitere, sehr gute Möglichkeit, uns zu vermitteln. Außerdem haben bereits viele Leute signalisiert, daß sie so'n Fest nicht noch mal wollen
-und auch das müssen wir ernst nehmen. Laßt uns Power, Inhalte und Lebensfreude mitbringen. Gerade hier rechnen die Bullen doch am meisten mit Aktionen. Wenn wir da in ihre Falle rennen, wären wir doch bekloppt, oder? Das Ganze wäre ein reines Gemetzel mit anschließender Lügenpropaganda.
Was sich zwischen Fest und Abend tut, ist mir auch nicht so klar (...). Es sollte allerdings klar sein, was prinzipiell ist, denn wir tragen eine gewisse Verantwortung. Wir sollten uns auf jeden Fall darauf einstellen, daß die Bullen eventuell Reste des Festes angreifen, wie sie es 1988 gemacht haben. Das heißt, das Fest nicht einfach auslaufen lassen, sondern lange da bleiben, und es dann kollektiv und gemeinsam beenden. (...) Ich fände es stark, möglichst viele GenossInnen aus der DDR dabei zu haben, aber auch jede Menge „normale“ BürgerInnen beider Staaten. Wir müßten auch „drüben“ gut mobilisieren. (...) Ich würde es begrüßen, wenn die Vorbereitungsgruppe demnächst mal ihre vorläufigen Vorstellungen veröffentlichen würden, so weit sie für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Eine weitere Diskussion ist dringend notwendig, damit wir auch den Leuten, die nicht 'Interim‘ lesen oder in keinen Szene-Diskussions -Vorbereitungsgruppen drin sind, klar vermitteln können, was von uns aus zu erwarten ist. Ihr seht, es ist noch nicht alles ausgegoren, aber das sollte es ja auch erst am Ende der Diskussion sein. Dann sollten wir allerdings gewinnen, oder?
Ron Revolution
Anmerkung der Redaktion: Die kursiven und halbfetten Hervorhebungen im Text erschienen auch in 'Interim‘ so, wie sie hier veröffentlicht worden sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen