: Kontraproduktive Haftbedingungen
■ betr.: „Der Ruf nach Knast ver deckt die Ohnmacht“ u.a., taz vom 24. 9. 96
In den Artikeln wird immer wieder das Augenmerk auf die vorzeitige Haftentlassung des Täters gelegt, so daß der Gedanke auftauchen könnte, es gäbe eine angemessene Haftzeit für Sexualstraftäter. Meiner Erfahrung nach mit Sexualstraftätern sind die Haftbedingungen kontraproduktiv.
Sogenannte „Kinderficker“ stehen im Knast auf der untersten Stufe der Hierarchie, sie müssen mit körperlichen Angriffen anderer Gefangener rechnen. Allein schon um die oft lange U-Haft zu überstehen – in der es fast keine psychologische Betreuung gibt –, müssen die Täter, um sich vor Angriffen der Mitgefangenen zu schützen, versuchen, sich als Opfer darzustellen. Das heißt statt sich mit ihrer Tat auseinanderzusetzen, sich diesen dunkelsten Seiten ihrer Person anzunähern, bauen sie Schutzwälle auf und konstruieren sich eine andere Wirklichkeit. Je besser ihnen das gelingt, je weniger Angst müssen sie im Gefängnis haben. Bis es dann zur Verhandlung kommt, ist meist ein umfassendes Abwehrgebäude aufgebaut. Wieder in Freiheit, bedarf es oft einfacher Anlässe, um all die unverarbeiteten und vermauerten Probleme aufbrechen zu lassen. Rita Woll, Bad Liebenzell
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