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Konservativer Rebell

■ Abschied vom Kinderonkel: Der Musiker Bariș Manco war Pionier des türkischen Rock

Er sah nicht gerade aus wie jemand, dem konservative Türken gerne ihre Kinder anvertrauen. Mit seiner langen, grau gewordenen Mähne, den dicken Ringen an den Fingern und der verwegenen Rockerkluft ähnelte er einem alternden Hippie, der immer noch Freak-Vorbildern wie Frank Zappa oder dem Henry Fonda aus „Easy Rider“ nacheifert. Trotzdem moderierte Bariș Manco jahrelang die beliebteste Kindersendung im türkischen Fernsehen, die generationenübergreifend Anklang fand. „Von 7 bis 77“ hieß das Programm, in dem der Musiker regelmäßig zum Kinderonkel mutierte und mit dem eine ganze Generation türkischer Jugendlicher aufwuchs – auch in Deutschland. Das erklärt die Anteilnahme, die Bariș Mancos plötzlicher Tod in der Türkei hervorrief, aber nur zum Teil. Am Montag im Alter von 56 Jahren einem Herzinfarkt erlegen, wurde der Verstorbene mit einer Art Staatsbegräbnis, begleitet von hochministeriellen Beileidsbekundungen, am Mittwoch verabschiedet. Tausende säumten den Weg seines Sargs vom Stadtteil Moda, wo Manco wohnte, zum Friedhof. Das Fernsehen übertrug die Beisetzung, Radios und Geschäfte spielten seine Lieder.

Musikalisch gesehen war Bariș Manco bedeutend als Pionier der türkischen Rockmusik, die seit den Sechzigern dem weltweit Funken schlagenden Gitarrensound einen eigenen, lokalen Anstrich gab. Neben Musikern wie Cem Karaca und Erkin Koray sowie den Mogollar begründete Bariș Manco eine neue, anatolische Elemente aufgreifende Rockvariante, welche die globale Revolution der Jugendkultur reflektierte und die bis heute daran erinnert, daß Istanbul einst, von Berlin aus gesehen, auf halben Wege auf dem Hippie-Trail nach Indien lag. In den Achtzigern experimentierte Bariș Manco, den Türkpop-Trend späterer Tage antizipierend, mit Discobeats und Rap-Refrains, sang alberne Lieder über „Paprika, Tomaten und Auberginen“ oder einen „Süleyman“, der „Back in Town“ wäre, und empfahl sich damit schon mal fürs Kinderfernsehen.

Seinem Ansehen ernsthaft geschadet haben die Peinlichkeiten dieser Phase jedoch nicht, ungebrochenen Respekt erwies ihm auch die nachfolgende Schar junger Popstars und -sternchen, die in den Neunzigern plötzlich über die Türkei hineinbrach. In Deutschland sollten derweil türkischstämmige HipHop-Bastler mit Vorliebe Bariș-Manco-Samples montieren, und als Mitte der Neunziger in der Türkei ein kleines Rockrevival einsetzte, konnten türkische Neorocker wie Haluk Levent oder die Gruppe Ünlü an seine Vorarbeit anknüpfen.

Äußerlich unangepaßt, ist und war der türkische Rock selten explizit politisch, spiegelte eher ein urbanes Lebensgefühl, und speziell Bariș Manco äußerte sich gern mal pantürkisch-nationalistisch – ein Konservativer im Rebellenlook. Sein Verdienst bleibt, daß er einer weitgehend introvertierten Türkei ein Fenster zur Welt öffnete – mit seiner Musik und seinem Auftreten, aber auch mit seinen Fernsehsendungen, in denen er rund um die Welt über 150 Länder bereiste, stets bemüht, seinen Zuschauern fremde Kulturen nahezubringen.

Besonders gerne bereiste er Asien, und fast schon ein Mythos war Bariș Mancos Affinität zu Japan. Dort nahm er zwei seiner Platten auf – davon eine wie einst Bob Dylan live im Budokan –, und dort soll er auch zahlreiche Fans gehabt haben.

Zeitlebens inszenierte sich Bariș Manco als Kosmopolit, modern und weltoffen, aber im Herzen doch ein Türke mit Familiensinn, fest verwurzelt in asiatischer Erde – genauso also, wie sich die Mehrheit der Türken, die sich im Vergleich dazu provinziell fühlen mußte, zu dieser Zeit gerne selbst sehen wollte. Daniel Bax

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