Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal: Finanzminister Scholz muss liefern
Am Mittwoch muss Olaf Scholz vor dem Finanzausschuss zu Wirecard aussagen. Er muss erklären, wie die Finanzwirtschaft wirksam zu kontrollieren ist.
D er Kanzlerkandidat in spe erweckt den Eindruck, als hätte er es bislang nicht begriffen: Für Bundesfinanzminister Olaf Scholz ist die Wirecard-Affäre bedrohlich. Der Skandal um den betrügerischen DAX-Konzern hat die Wucht, die Ambitionen des Sozialdemokraten zu zerstören. Denn er ist dabei, sein Prestige als solider Coronakrisenmanager zu verspielen und gegen das Image des fragwürdigen Finanzbranchenfreunds zu tauschen. Von seinem Auftritt vor dem Finanzausschuss am Mittwoch und der öffentlichen Interpretation wird viel abhängen.
Das Bild, das die deutsche Finanzaufsicht und damit der Bundesfinanzminister als ihr Kontrolleur zurzeit abgeben, ist verheerend. So sieht es aus: Kriminelle können Bilanzen aufblähen, in großem Stil Gewinne vortäuschen und haben gleichzeitig einen guten Draht in die Bundesregierung. Keinem der hochbezahlten Prüfer, Kontrolleure, Berater im Umfeld und in Behörden und Ministerien fällt etwas auf.
Ja, es stimmt: Scholz ist nicht dafür da, Bilanzen auf mögliche Betrügereien zu prüfen. Aber: Es ist sein Job, dafür zu sorgen, dass es andere tun. Auch dass es in Deutschland keine wirkliche staatliche Bilanzkontrolle gibt und sich die Behörden auf private Kontrolleure verlassen müssen – das ist nicht seine Schuld, das haben die Kabinettsmitglieder zu verantworten, die zu Beginn des Jahrtausends die Finanzaufsicht neu aufgestellt haben.
Die damalige rot-grüne Regierung hat die Renten der Bürger gekürzt mit dem Ziel, dass sie Vermögen auch in Aktien anlegen sollen – und sie gleichzeitig durch fehlende Überwachung der Finanzwirtschaft der Branche ausgeliefert. Der Wirecard-Skandal hat die unglaublichen Kontrolllücken in Deutschland offenbart. Anzulasten ist Scholz, dass er dagegen nichts unternimmt. Und zwar schwer.
Grundlegende Reform ist nötig
Was Scholz bislang will, sind Änderungen im Detail, hier der Finanzaufsicht ein paar Kompetenzen mehr zugestehen, da einige Regeln für Wirtschaftsprüfer verschärfen. Nötig ist aber eine grundlegende Reform der deutschen Finanzaufsicht, damit die diesen Namen verdient. Der Skandal muss Folgen haben.
Längst überfällig ist, dass Scholz das Spitzenpersonal der BaFin austauscht. Die Behörde hat die gesamte Presse einzuschüchtern versucht, indem sie einen Journalisten der Financial Times nach kritischen Berichten zu Wirecard angezeigt hat. Konsequenzen? Hat Scholz bislang nicht gezogen. Mindestens so wichtig ist ein Plan, wie in Deutschland die Bilanzen von Großunternehmen denn effektiv kontrolliert werden können. Solange es den nicht gibt, deckt Scholz praktisch das Geschäft der Wirtschaftskriminellen.
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