Kongress gegen Rüstungsforschung an Unis: Wissen schaffen ohne Waffen
Neubeginn einer Friedenskampagne: Ein bundesweiter Kongress will Kriegsforschung aus deutschen Universitäten raushalten. Einige Unis haben bereits Zivilklauseln.
BRAUNSCHWEIG taz | Es soll der Neubeginn einer Friedenskampagne an den Universitäten und Hochschulen werden. Das jedenfalls wünschten sich die rund 100 Teilnehmer der Tagung "Nein zur Militarisierung von Forschung und Lehre – Ja zur Zivilklausel", die am Wochenende an der TU Braunschweig stattfand.
Zum ersten Mal seit 20 Jahren trafen sich Wissenschaftler und Studenten zu einem bundesweiten Kongress gegen Rüstungsforschung und einer zunehmenden Zusammenarbeit von Hochschulen und Bundeswehr. Anlass für das Treffen sind die immer zahlreicheren Initiativen an den Unis für eine Zivilklausel, sagte Reiner Braun von den Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (Ialana).
An einigen Hochschulen gibt es bereits seit Längerem Klauseln, mit der sichergestellt werden soll, dass keine Rüstungsforschung betrieben wird. So hat die Universität Bremen seit 1986 eine Zivilklausel, die "jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung an militärischer Nutzung" ausschließt. Ähnliche Vorgaben existieren laut Braun an Unis in Dortmund, Tübingen, Berlin, Oldenburg und Konstanz. In Jena oder München laufen Initiativen für eine Zivilklausel.
In Köln stimmten Ende 2010 65 Prozent der Studierenden für eine solche Klausel. Eine verbindliche Einführung verweigert jedoch die Univerwaltung. Axel Freimuth, Rektor der Universität, befürchte, damit private Geldgeber abzuschrecken, berichtete ein Vertreter der Kölner Initiative.
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), ein Zusammenschluss der Universität und des Karlsruher Forschungszentrums, wird von den Gegnern einer Zivilklausel hingegen auf die Freiheit der Forschung verwiesen. Am KIT eskalierte der Streit, da am Forschungszentrum schon seit vielen Jahren eine Zivilklausel besteht, diese aber nicht in den KIT-Gründungsvertrag übernommen wurde. "Jetzt setzen wir auf die neue Landesregierung in Baden-Württemberg", sagte Nadja Brachmann vom Karlsruher Unabhängigen Studierendenausschuss.
Grün-rote BaWü-Koalition ist für Zivilklausel
Sowohl die Grünen als auch die SPD hatten mit der Zivilklausel Wahlkampf gemacht. Die Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann (Grüne) und Nils Schmid (SPD) unterschrieben einen öffentlichen Aufruf für die Karlsruher Zivilklausel. Brachmann geht davon aus, dass die Zivilklausel jetzt mit in das Hochschulgesetz aufgenommen wird.
In Niedersachsen gab es schon einmal ein Landeshochschulgesetz mit Zivilklausel, berichtete Dietrich Schulze von der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative. Helga Schuchardt, Wissenschaftsministerin in Hannover unter Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD), habe sie in das Hochschulgesetz mit aufgenommen. Später sei die Klausel wieder gestrichen worden.
Insgesamt an mehr als 40 Universitäten wird "Forschung für den Krieg" betrieben, sagte Braun. Tatsächlich wird die Zahl der in der Rüstungsforschung aktiven Hochschulen noch weitaus höher liegen. Denn eine umfassende Auflistung aller Rüstungsprojekte gibt es nicht. Vom ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wurde sogar die Auflistung, welche Universität direkt Geld aus dem Verteidigungshaushalt erhalten hat, als "geheim" eingestuft. Einige Jahre zuvor wurde eine fast gleichlautende Anfrage der Linksfraktion noch ohne den Verweis auf den Geheimschutz beantwortet.
Das dürfe so nicht stehen bleiben, war die einhellige Meinung auf der Braunschweiger Tagung. Denn damit könne jeder Uni-Präsident die Auskunft über Bundeswehrprojekte an seiner Hochschule verweigern.
Stärkere Unterstützung für die Zivilklausel dürfte es bald von der Gewerkschaft Ver.di geben. "Zwei Anträge zur Zivilklausel liegen bereits für den Gewerkschaftstag im September vor", berichtete Ver.di-Vertreter Wolfgang Uellenberg. Sollten sie angenommen werden, würden sich die Kollegen vor Ort aktiver für die Zivilklausel einsetzen.
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