Konflikt diese Woche in der BVV: Kastanienallee vor der Entscheidung
BVV Pankow berät über Anwohnerbefragung. Bürgerinitiativen fordern Baustopp. Grüne schwanken zwischen Bürgerbeteiligung und der Unterstützung ihres Stadtrats.
Monatelang haben sie sich immer wieder die Köpfe heiß geredet. Anwohner der Kastanienallee in Prenzlauer Berg stritten mit dem Bezirksstadtrat für öffentliche Ordnung, Jens-Holger Kirchner (Grüne), um den geplanten Umbau der Flaniermeile. Diese Woche soll nun die Bezirksverordnetenversammlung Pankow entscheiden, wie es weitergeht. Am Mittwochabend stehen gleich zwei Anträge von Bürgerinitiativen zur Abstimmung. Beide fordern eine offizielle Anwohnerbefragung und sehen andere Umbaupläne vor.
Erste Pläne für die Renovierung der von Touristen und Einheimischen viel frequentieren Allee gibt es bereits seit drei Jahren. Der grüne Stadtrat will mit der überfälligen Sanierung in der grünen Wählerhochburg ein Vorzeigeprojekt grüner Verkehrspolitik verbinden. Der Gehweg soll saniert werden, Radfahrer sollen neben den Tramgleisen einen Fahrstreifen bekommen. Das soll für mehr Sicherheit für Radler und mehr Tempo für die Tram sorgen. Allerdings müssten die Parkplätze dafür um 40 Prozent gekürzt und zwischen die Straßenbäume verlegt werden. Die breiten Bürgersteige würden deutlich schmaler.
Das passt Anwohnern und Gewerbetreibenden gar nicht. Sie fürchten neben den finanziellen Einbußen durch den zweijährigen Umbau vor allem um den Charakter der Straße. "Die Kastanienallee ist eine Flaniermeile. Sie ist zu kostbar und in Berlin einzigartig", sagt etwa Till Harder, Sprecher des Bündnisses "Stoppt K21", das nun einen der beiden Bürgeranträge einbringt. Das Bündnis fordert den Stopp der bisherigen Umbaupläne und eine umfassende Anwohnerbefragung. Sollte der Antrag am Mittwoch vor der BVV keine Zustimmung erfahren, so plant das Bündnis alternativ ein Bürgerbegehren. "Wir werden für unsere Straße kämpfen", so die deutliche Ansage.
Der geplante Umbau der Kastanienallee sorgt seit Beginn des Bauvorhabens 2008 für Proteste. Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) möchte die Straße zu einem Vorzeigeprojekt grüner Verkehrspolitik machen. Hierfür soll die Fahrradspur auf 1,50 m verbreitert, die Parkplätze um 40 % reduziert werden.
Anwohner und Gewerbetreibende befürchte den Verlust des bestehenden Flairs. An diesem Mittwoch wird die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow über zwei Bürgeranträge beraten, die andere Umbaupläne und vor allem eine Anwohnerbefragung vorschlagen.
Der zweite Antrag zeigt sich kompromissbereiter. Er geht auf eine Initiative von Severin Höhmann (SPD) zurück, der bei der Abgeordnetenhauswahl im September den Wahlkreis Prenzlauer Berg Süd gewinnen will. Laut diesem Vorschlag, vorgelegt von der Bürgerinitiative "NUr zu! Pankow!", soll der Fahrradstreifen schmaler werden, so dass mehr Platz für Passanten und Straßencafés bleibt. Auch dieser Antrag will eine Bürgerbefragung.
Kirchner will am liebsten einfach weiterbauen. Er kann die erneute Debatte nicht nachvollziehen. Eineinhalb Jahre zu spät kämen die jetzigen Vorschläge. Der Entscheidungsfindungsprozess sei abgeschlossen. Er werde sich als Grüner jetzt nicht gegen Bürgerbeteiligung äußern, sagt Kirchner: "Aber so langsam reicht es".
Er habe sich in den letzten drei Jahren um Kompromisse bemüht, auf Tempo 30 und Bedarfsampeln habe man sich nach Anwohneranhörungen verständigt. Wenn die Temperaturen stiegen, kündigt der Stadtrat an, würden die Bauarbeiten, die witterungsbedingt seit November auf Eis liegen, fortgeführt.
Wegen solcher Äußerungen setzt die Bürgerinitiative "Stopp K21" den grünen Stadtrat längst auf eine Stufe mit der CDU-geführten Landesregierung in Baden-Württemberg, die trotz aller Proteste von BürgerInnen den Stuttgarter Bahnhof umbauen lässt. Kirchner sei der "Mappus von Pankow", heißt es.
Zwar gab es tatsächlich schon vor rund zwei Jahren einen mehrstündige Bürgeranhörung zum Umbau der Allee. Doch als Kirchner im November 2010 die endgültigen Pläne vorstellte, fühlte sich die Anwohnerinitiativen düpiert. Keiner ihrer Kritikpunkte war berücksichtigt worden. Seither mobilisieren die verschiedenen Bürgerinitiativen im Internet und auf der Straße ihren Protest.
Nicht nur Kirchner, auch die Fraktionen im Bezirksparlament tun sich schwer im Umgang mit den aufmüpfigen Bürgern. Die Grünen bringen zwar die beiden Anträge der Initiativen zur Abstimmung ein. "Aber nur aus demokratietheoretischen Gründen", sagt die Fraktionsvorsitzende Stefanie Remlinger. Denn Bürger haben kein direktes Antragsrecht in der BVV.
Das heiße noch lange nicht, dass die Initiativen von ihrer Partei auch unterstützt würden, betont Remlinger. Über den genauen Umgang wird bei einer Fraktionssitzung am Montag beraten. "Hier rauchen die Köpfe", gibt Cornelius Bechtler, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion zu. Wahrscheinlich werde man beiden Anträgen nicht zustimmen, sondern gegebenenfalls einen eigenen Änderungsantrag einreichen.
Auch Linke und SPD, die die beiden größten Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow stellen, haben sich noch nicht abschließend entschieden. Die SPD will auf einen eignen Antrag verzichten. Ihre Fraktionsvorsitzende Sabine Röhrbein geht davon aus, dass beide Anträge am Mittwoch keine Zustimmung finden, sondern in die Ausschüsse der BVV verwiesen werden. Zur weiteren Beratung. Ob die Bauarbeiten solange ruhen werden, ist unklar.
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