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Konflikt außer Kontrolle

■ Wieder Tote in Berg-Karabach/ Aserbaidschans Präsident gesteht: Ich habe keine Einlußmöglichkeiten

Moskau (afp) — Bei Kämpfen zwischen Aserbaidschanern und Armeniern in Nagorny Karabach sind auch am Donnerstag zahlreiche Menschen getötet worden. Wie die Moskauer Nachrichtenagentur 'ITAR- TASS‘ meldete, starben etwa zehn Menschen, als Armenier mit Raketenwerfern und Panzerfahrzeugen das von Aserbaidschanern kontrollierte Dorf Sirchawand angriffen. Darüber hinaus wurden bei zwei aufeinanderfolgenden aserbaidschanischen Angriffen auf das armenische Dorf Kasantschi elf Menschen getötet, wie das armenische Verteidigungsministerium mitteilte. Wieviele Zivilisten sich unter den Opfern befinden, wurde nicht bekannt. Der aserbaidschanische Präsident Ajas Mutalibow räumte inzwischen ein, daß der Konflikt „außer Kontrolle“ geraten sei. Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) beschuldigte der Republikchef, nichts gehen das Blutvergießen zu unternehmen. Mutalibows armenischer Amtskollege Lewon Ter-Petrossjan warf Aserbaidschan vor, „Krieg gegen die eigenen Bürger“ zu führen.

Angesichts der sich zuspitzenden Lage in der armenischen Enklave Nagorny Karabach kam das aserbaidschanische Parlament gestern zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, zu deren Beginn Parlamentspräsidentin Jelmira Kaschirowa zurücktrat. Nach einer Meldung der aserbaidschanischen Nachrichtenagentur 'Assa-Irada‘ wurden zunächst keine Gründe für den Rücktritt genannt.

In einem Gespräch mit der russischen Zeitung 'Komsomolskaja Prawda‘ bezeichnete Mutalibow den Streit um die Enklave als „tragisch“. Weder er selbst noch Armeniens Präsident Ter-Petrossjan seien in der Lage, „die Situation noch zu beeinflussen“.

Unterdessen teilte der armenische Präsident in einem Interview mit demselben Blatt mit, daß seine Republik die umkämpfte Enklave mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorge. Lieferungen mit Waffen und Munition aber wären „Schmuggel“. Vor kurzem erst hatten offizielle Vertreter Armeniens mitgeteilt, daß Privatpersonen Waffenlieferungen per Schiff nach Karabach koordinierten.

Bereits am Mittwoch abend hatte der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew die Aufstellung einer Eingreiftruppe der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) gefordert. Der aserbaidschanische Außenminister Hussein Saditschow hatte am selben Tag angekündigt, daß sein Land in Kürze bei den Vereinten Nationen einen Antrag auf Entsendung von UN-Friedenstruppen stellen werde. Armenien hatte sich bereits am Montag für eine Stationierung von UN-Blauhelmen in Nagorny Karabach ausgesprochen. Am selben Tag waren beide Kaukasus-Republiken in die UNO aufgenommen worden.

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