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Kompromiß beim Kitagesetz

■ CDU und SPD einig über umstrittene Gruppengröße bei den Zwei- bis Dreijährigen. Zuvor sind die Finanzverhandlungen zwischen den freien Trägern und dem Senat erneut geplatzt

„Es wird keine Verschlechterung beim Kitapersonal geben.“ So kommentierte gestern Karlheinz Nolte, familienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, den gerade geschlossenen Kompromiß zwischen SPD und CDU über die umstrittene Regelung des Personalschlüssels für die Betreuung von Zwei- bis Dreijährigen. Doch ganz stimmt das nicht.

Nach dem Entwurf für ein neues Kitagesetz, den die CDU kurz vor der Sommerpause ohne ihren Koalitionspartner ins Parlament eingebracht hatte, sollte künftig eine Erzieherin für acht statt – wie im seit 1996 geltenden Gesetz vorgeschrieben – bisher sechs Zwei- bis Dreijährige zuständig sein. Das Problem dabei: Die Senatsinnenverwaltung hat laut Nolte den im alten Kitagesetz vorgeschriebenen Personalschlüssel nie umgesetzt. Sie wies den Kitas weiterhin für sieben Kids eine Erzieherin zu. Und auf genau diese Regelung haben sich CDU und SPD gestern für das neue Kita-Gesetz geeinigt. Praktisch gibt es also keine Verschlechterung. Dies gilt aber nicht für die gesetzlich vorgeschriebene Personalbemessung.

Das räumt auch Cerstin-Ullrike Richter-Kotowski ein, Noltes Kollegin von der CDU. Ihr Argument: Mit dem Geld, was da rein rechnerisch eingespart wird, sollen Personalzuschläge für die Integration behinderter, nichtdeutscher und sozial benachteiligter Kinder finanziert werden. Doch auch das sieht das alte Kitagesetz bereits vor. Nach Ansicht Noltes steht mit dem Kompromiß der Verabschiedung des Gesetzentwurfs in der heutigen Sitzung des Jugendausschusses nichts mehr im Weg. Danach sei die Absegnung im Hauptausschuß und im Plenum des Parlaments eine Formsache.

Den Bündnisgrünen, dem Landeselternausschuß Berliner Kindertagesstätten (LEAK) und den Gewerkschaften reicht der Kompromiß nicht. Sie sind gegen eine Verschlechterung der Personalbemessung bei den Zwei- bis Dreijährigen. Hinzu kommen drei weitere Kritikpunkte: Erstens die Festschreibung des umstrittenen Anmeldeverfahrens, bei dem der Betreuungsbedarf letztendlich nicht von den Eltern gewählt, sondern vom Bezirk zugewiesen wird. Zweitens die fehlenden Mittel für Vertretungen, die früher zwei Prozent der Personalmittel umfaßten, 1995 aber gestrichen wurden. Und drittens soll nach Ansicht der KritikerInnen die Ganztagsbetreuung als Regelfall erhalten bleiben. Doch dieser Passus soll aus dem Gesetz gestrichen werden.

Auch die freien Träger sind mit dem Entwurf für das Kitagesetz nicht zufrieden, freuen sich aber dennoch über den Kompromiß. „Das Kitagesetz ist der Rahmen, in dem wir mit dem Senat über die Kitafinanzierung verhandeln können“, so Maria Lingens, Kitaexpertin der LIGA, in der die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtpflege versammelt sind. Und bei diesen Finanzverhandlungen besteht dringender Handlungsbedarf. Denn gesucht wird ein neues Modell, daß die bislang geltende Platzgeldfinanzierung ab 1999 ablösen soll. LIGA und Senat verhandeln parallel zur Novellierung des Kitagesetzs. Doch anders als beim Kitagesetz scheint ein Kompromiß hier weit entfernt zu sein.

Anfang der Woche sind die Gespräche zwischen dem federführenden Jugendsenat und der LIGA wieder einmal geplatzt. „Der Staatssekretär hat am Dienstag eine katastrophale Vorlage gemacht“, urteilt Lingens. Die LIGA fordert dreijährige Leistungsverträge, die festgeschriebene Zuwendungen garantieren, mit denen die Einrichtungen dann selbständig wirtschaften können. Im Gegensatz dazu will der Senat einen Zuwendungsvertrag, nach dem einzeln abgerechnet werden muß und keine Rücklagen gebildet werden dürfen. Ein weiterer Konflikt: der Eigenanteil der freien Träger. Die LIGA ist bereit, einen Eigenanteil von 5 Prozent zu erbringen, der Senat aber fordert 17 Prozent. „Bei einer Kita mit hundert Plätzen wären das etwa 200.000 Mark“, so Lingens, „das treibt die freien Träger in den Ruin.“ Sabine am Orde

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