: Kompetente Kritiker
betr.: „Die Welt ist eine Scheibe“, taz vom 8. 1. 09
In gewisser Weise hat Igal Avidan Recht. Er wurde „gestört“. Aber nicht durch undisziplinierte und unqualifizierte Gäste, wie er in seinem Interview suggeriert. Die Gäste hatten vielmehr aufmerksam zugehört und zum Teil sogar sein Buch sorgfältig gelesen. Aber „gestört“ wurde Avidan in seinem Unterfangen, sich in der Rolle als Journalist und Buchautor zu präsentieren, der angeblich ganz Ungewöhnliches unternimmt, nämlich Israel zu kritisieren.
Zusammengefasst hielt ihm das Publikum drei Dinge entgegen. Erstens habe Avidans Kritik an Israel nichts wirklich Aufklärendes, sondern zementiere nur die gängigen Vorurteile. Zweitens bagatellisiere er die Bedrohtheit des Staates und seiner Bevölkerung. Drittens ignoriere seine Bilanz des sechzigjährigen Bestehens Israels völlig dessen Leistungen. Diese Einwände wurden differenziert und mit Fakten belegt vorgetragen. Allerdings auch mit Leidenschaft. (Adorno pflegte zu sagen, das Fehlen von Emotionen signalisiere meistens nur einen Mangel an Erkenntnis.)
Das Beste an dem Abend war, dass noch auf derselben Veranstaltung – in Anwesenheit von Avidan – beschlossen wurde, seiner Veranstaltung eine zweite folgen zu lassen, die diese drei Mängel ausgleichen sollte. Ein Referent stand bereit, ein kompetenter Israeli. Er war einer der Hauptkritiker Avidans an diesem Abend gewesen.
BIRGIT SCHINTLHOLZER-BARROWS, Korntal