: Kompaktheit mit kleinen bruchstellen
Schalke 04 verdirbt sich durch spätes gegentor die gute leistung beim 2:1 im UI-cup-finalhinspiel gegen Liberec
GELSENKIRCHEN taz ■ Wie schon beim liga-auftakt am vergangenen freitag in Bremen reichte dem FC Schalke 04 im hinspiel des UI-cup-finales gegen Slovan Liberec ein kurzer moment der unachtsamkeit, um einen positiven gesamteindruck zu stören. Der tscheche Tomas Zapotocny verkürzte in der 75. minute zum 2:1-endstand – die ausgangsposition für das rückspiel hatte sich plötzlich deutlich verschlechtert. Oder doch nicht?
Kein wirkliches problem wollte schalke-trainer Jupp Heynckes erkennen, er hatte im späten gegentor nur ein „kleines ärgernis“ ausgemacht. Torhüter und kapitän Frank Rost war sogar froh darüber: „Wir dachten nach dem 2:0 und den vielen chancen, dass es so weiter geht, vielleicht stellen wir diese gedankengänge jetzt ab.“ Die erfolgreiche abwicklung des ungeliebten cups scheint also weiterhin machbar. Machbar vor allem, weil sein team auch im rückspiel in der lage sein werde, „tore zu erzielen und das spiel letztlich auch zu gewinnen“, glaubt Jupp Heynckes.
Die hoffnung liegt mit blick auf das schalker spiel recht nahe. Denn was vor allem die hochgelobten neuzugänge während der 90 minuten zeigten, lässt vieles von dem vergessen, was die schalker fans in den letzten jahren an spielerischen katastrophen ertragen mussten. Vor allem angreifer Ailton scheint dort weiterzumachen, wo er bei Werder Bremen aufgehört hatte: tore schießen und tore vorbereiten. Bei seinem treffer zum 1:0 staubte er nach einem fehler von torhüter Zbynek Hauzr ab. Vor dem 2:0 erkämpfte er sich nach einer gegnerischen ecke den ball in der eigenen hälfte, schüttelte seine gegenspieler über 40 meter ab und bediente Gerald Asamoah zum 2:0. Das haben die schalker von Ailton erwartet und das haben sie bekommen.
Ebenso eindrucksvoll verlief das debüt von abwehrspieler Marcelo Bordon. „Seine präsenz ist überragend“, schwärmte Frank Rost. Die gegenspieler gaben beim anblick von Bordon lieber freiwillig den ball ab. Auch Mladen Krstajic konnte in der dreierkette trotz einiger abspielfehler überzeugen. Kein vorbeikommen, nirgends. Die abwehr in dieser form ist eine unverschämtheit für jeden gegner und eigentlich ein fall für das kartellamt. „Ja, die beiden bringen uns weiter“, kommentierte Jupp Heynckes das spiel seiner abwehrspieler gewohnt euphorisch. Wichtig scheint auch, dass die übrigen mitspieler von dieser sprunghaften qualitätssteigerung profitieren. Gerald Asamoah machte im schatten Ailtons eines seiner besten spiele, und nachwuchsspieler Christian Pander zeigte, dass auch ein gesunder Jörg Böhme auf der linken seite keine stammplatzgarantie hat.
Alles bestens also? Nicht ganz. Das späte gegentor zeigte, dass die neue schalker kompaktheit auch noch einige bruchstellen aufweist. Sollte das rückspiel in zwei wochen und somit die Uefa-cup-qualifikation vergeigt werden, droht der erste stimmungskiller. Der sportliche und finanzielle druck ist immens. „Noch eine saison ohne internationalen wettbewerb können wir uns nicht leisten“, sagte Schalkes finanzchef Josef Schnusenberg auf der jahreshauptversammlung. Die finanziellen zahlen sind mies, erfolg muss also her.
Auch das publikum merkt dies. Als nach dem anschlusstreffer der eingewechselte Mike Hanke einen ball im mittelfeld vertändelte, waren von der haupttribüne leichte unmutsäußerungen und pfiffe zu hören. Gut zu wissen, dass sich weder mannschaft noch trainer davon beeindrucken ließen. Zumindest versuchten sie dies nach dem spiel demonstrativ nach außen zu zeigen. Jetzt müssen sie das nur weiter umsetzen – ohne konzentrationslücken, versteht sich.
HOLGER PAULER