: Kommunen wollen AFG-Novelle kippen
■ Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebundes fordert von Bund und Ländern verbindliche Zusage für Finanzreform
Bonn (taz/dpa) – „Die Jahrtausendwende wäre ein wunderbarer Anlaß für einen Neubeginn.“ Mit diesen Worten plädierte der Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Hans Gottfried Bernrath, gestern für eine umfassende Reform der Gemeindefinanzen. Die Bundesregierung und die Länder sollten für die nächste Wahlperiode endliche eine bindende Zusage für eine solche Reform geben. Ansonsten drohe eine „krisenhafte Zuspitzung der kommunalen Finanznot“.
Zugleich forderte Bernrath den Bundestag auf, die geplante Gesetzesnovelle zur Arbeitsförderung fallenzulassen. Angesichts der schwierigen Finanzprobleme müßten die Parlamentarier insbesondere die rigorose Kürzung der Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) ablehnen. Denn die anvisierte Kürzung führe dazu, daß zwei Drittel aller AB-Maßnahmen, Fortbildungen und Umschulungen in Ostdeutschland bis zum Jahr 2000 gestrichen würden. Die Folge wäre, daß die Betroffenen weitgehend von der Sozialhilfe abhängig würden – was automatisch eine zusätzliche Belastung der Städte und Gemeinden mit sich bringt.
Bund und Länder müßten darüber hinaus die Sozialhilfe an der Bedürftigkeit orientieren, um die Kommunen nicht zu überfordern. Gegenüber Kosten in Höhe von 3,5 Milliarden Mark für die Sozialhilfe im Jahr 1970 sei dieser Betrag bis zum Jahr 1995 auf knapp 60 Milliarden Mark gestiegen, nahezu auf das 17fache. Ein Ende der jährlichen Steigerungen um zehn Prozent sei nicht absehbar.
Die negativen Folgen der kommunalen Finanzmisere zeigten sich schon heute: Kindertagesstätten, Jugendfreizeiteinrichtungen, Frauenhäuser, Theater, Bibliotheken und Schwimmbäder müßten schließen oder ihren Betrieb stark einschränken. Diese Entwicklung werde sich fortsetzen, wenn nicht wirksam gegengesteuert werde.
Bisher deutet jedoch nichts darauf hin. Mit der angestrebten Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, wie im Jahressteuergesetz 1997 von der Koalition vorgesehen, verlieren die Kommunen sogar noch eine Einnahmequelle. Bernrath erklärte daher, dies würden die Kommunen nur mitmachen, wenn die Gegenfinanzierung geklärt sei. Noch sei aber völlig schleierhaft, wie der Bund sein Versprechen in die Tat umsetzen wolle, den Städten und Gemeinden einen „vollen und fairen Ausgleich“ zu gewähren. Bedingung ist für den Gemeindebund, daß es zu einer Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer im Umfang von 2,7 bis 3 Prozent kommt, sagte Bernrath.
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