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Archiv-Artikel

Kommt jetzt der Uefa-Cup?

0:2 gegen Mailand, raus aus der Champions League, trübe Aussichten: Die Bayern bangen als Bundesliga-Vierter nun um ihre Teilnahme am europäischen Elite-Wettbewerb im nächsten Jahr

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Hasan Salihamidzic hatte es eilig. Der Schiedsrichter hatte abgepfiffen, Bayern verloren, das Champions-League-Halbfinale mal wieder verpasst – was sollte Salihamidzic also noch länger auf dem Platz? Nix wie weg hier.

Mit seinem lustigen Nähmaschinenschritt nadelte der Bosnier Richtung Kabine – und hielt plötzlich inne. Der erste Frust über die Niederlage war einer Erkenntnis gewichen: Das war vorerst mein letztes Champions-League-Spiel. In der nächsten Saison trage ich das Trikot von Juventus Turin; der Verein muss aber zunächst aus der italienischen Liga zwei aufsteigen, um wieder um Plätze in der Euro-Liga mitspielen zu können. Wer weiß, wann und ob dieses Champions-League-Gefühl wiederkommt? Salihamidzic drehte um und begann eine derart ausgiebige Hand-shake-Tour, dass man meinen konnte, er verabschiede sich für lange Zeit. Als erster Bayern-Spieler marschiert er vor die enttäuschten Südkurven-Fans, das Trikot wie vor Scham über den Kopf gezogen. Der Rest-FCB trottet lethargisch hinterher. Verabschiedet sich hier gerade der deutsche Rekordmeister aus der Liga der Besten?

Seit sechs Jahren, seit dem Gewinn der Champions League gegen Valencia, hat der FC Bayern nicht mehr das Halbfinale erreicht. Das 0:2 gegen den AC Mailand bedeutete nicht nur die höchste Heimniederlage in einem europäischen Wettbewerb, sondern das nun schon vierte Scheitern in der K.o.-Runde gegen Milan. Dachte man nach dem 2:2 im Hinspiel, dass der 38-jährige Paolo Maldini in München sein 103. und letztes Champions-League-Spiel machen würde, so stellt sich nach dem Spiel die Frage, ob der in zwei Monaten 38-jährige Oliver Kahn sein 103. und letztes Champions-League-Spiel gemacht hat. Denn nach der Partie war man sich schnell einig, „dass Milan, in beiden Spielen gesehen, die bessere Mannschaft war“ (Franz Beckenbauer). Europa war also recht flott abgehandelt, der Blick geht nach vorn: Bundesliga, Platz drei muss her, um zumindest die Qualifikation für die Elite-Liga zu schaffen. „Und das wird schon schwer genug“, weiß nicht nur Olli Kahn.

Bayern im Uefa-Cup – das klingt fast so irreal wie Mainz 05 im Uefa-Cup. Gab’s aber auch schon mal. Nach dem Aus gegen Mailand ist die Saison 2006/07 für die erfolgsverwöhnten Bayern endgültig verkorkst: Pokal-Desaster gegen Aachen, konstant nur Platz vier in der Bundesliga, Trainerrausschmiss mitten in der Saison und die späte Erkenntnis: Wir haben den Umbau verpatzt. So sagt das natürlich niemand beim FC Bayern. Beckenbauer weint dem letzten Kreativen nach und meint Michael Ballack, der ebenso wenig ersetzt wurde wie Fummelkönig Zé Roberto, dem man einen Zwei-Jahres-Vertrag verweigerte und der nun in der brasilianischen Liga als überragender Spieler gefeiert wird. Dagegen redete man sich ein, auch Roque Santa Cruz könne die Ballack-Rolle übernehmen – was für ein Witz!

Neben Kahn der einzige Bayern-Spieler, der eine Meinung hat und diese auch kundtut, ist Mark van Bommel. Gegen Milan wirkte er lange Zeit seltsam energiearm, blühte erst Mitte der zweiten Hälfte mit einer Reihe von Fernschüssen auf. Wenn er über das Spiel spricht, die Tore von Seedorf und Inzaghi analysiert, müht er sich, diplomatisch zu bleiben. „Wir waren heute nicht gut genug organisiert. Wir müssen jeden an Bord haben, um Milan zu schlagen. Wir haben nicht so eine breite Skala wie Milan. Wir haben auch 20 Spieler – aber nicht auf dem selben Level. Aber das ist kein Vorwurf an die Spieler, die sonst nicht so oft spielen.“ Natürlich nicht. Es ist ein Vorwurf an den Vorstand.

Schon lange reden die Bayern-Bosse Hoeneß und Rummenigge davon, auch mal Geld in die Hand zu nehmen für einen „Großen“. Luca Toni war schon zum Gespräch da, ein südamerikanischer Nachwuchs-Maradona wird kommen – aber Franz Beckenbauer stellt ganz unverblümt die durchaus berechtigte Frage: „Kriegt man die Spieler, die man will?“ Geht ein Luca Toni nicht lieber zur Juve, wenn diese ruft? Was sollte einen internationalen Star zum Tabellenvierten der deutschen Bundesliga locken, einer Liga, die ihren fünften Platz in der Uefa-Fünf-Jahres-Wertung womöglich bald an Portugal oder Rumänien verliert? Uli Hoeneß, der nach dem Nullzwei unglaublich müde wirkt, sagt: „Ich habe heute keine Lust auf Grundsatzdiskussionen.“ Der FC Bayern werde jetzt nicht anfangen, verrückte Dinge zu machen. Im Übrigen habe man halt keinen Berlusconi, der seit Jahren Mailands Fehlinvestitionen ausgleiche.

Dafür haben sie einen Lukas Podolski, der immerhin nach dem Spiel Großes leistete: „Wir haben die bessere Perspektive als Mailand“, sagte der verhinderte Torjäger – und spielte so relativ raffiniert auf die unterschiedliche Altersstruktur an. Apropos Perspektive: Da täte beim FCB generell ein wenig Demut not. Prima Anschauungsunterricht lieferten dazu ein paar gestandene Weltmeister: Christian Schwarzer, Markus Baur, Florian Kehrmann und einige weitere Lemgoer Handballer waren ebenfalls zum Bayern-Spiel gekommen – allerdings nicht mit dem VIP-Shuttle, sondern wie die meisten Fans: mit der U-Bahn.