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Kommerzielle Dynamik des visuellen Geschehens

■ Filmhistorische Cannes-Rolle zwischen Avantgarde und Design: Die Geschichte des deutschen Trick- und Werbefilms rekonstruiert Gerd Gockells erstaunlicher Animationsfilm Muratti und Sarotti im Metropolis

Spricht man von der Geschichte des Werbefilms, wird dieser gerne jene künstlerische Prämisse zum Verhängnis, die anfänglich den Film selbst diskredierte, deren Zusammenbruch aber den Beginn der Moderne markiert: die einer ästhetischen Hygiene, die säuberlich zwischen Kunst und Kommerz zu trennen vermag. Selbst ein notorischer Avantgardist wie der abstrakte Trickfilmer Hans Richter reihte sich so in den 20er Jahren in die Reihe der „Filmgegner“ ein. Allerdings unter ganz anderen Vorzeichen. „Sind Sie Filmgegner?“, fragte er. Und gab auch gleich die Antwort: „So wie der Film heute ist, kann er gar nicht genug Gegner haben.“

Denn für ihn und eine ganze Generation von abstrakten Filmern verlief die Frontlinie des Filmkampfs nicht zwischen bürgerlicher Bildungserwartung und populärer Unterhaltung, sondern quer durch die Möglichkeiten des Mediums selbst hindurch. Bereits nach wenigen Jahren hatte der Film eine Richtung eingeschlagen, die sein Potenzial in den Augen der Experimentatoren verschenkte: hin zur Abbildhaftigkeit, zur Narrativierung. Doch der Film sollte nicht eine Geschichte erzählen; er sollte selbst die Geschichte sein: ein Feuerwerk aus Bildern, Farben und den Rhythmen der Großstadt. Und sie alle, Oskar Fischinger, Lotte Reiniger, Walter Ruttmann oder Richter selbst, arbeiteten an freien künstlerischen Projekten wie auch in der Werbung. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete die kurze Blütezeit der modernistischen Kunst-Kommerz-Fusion, für die der Absolute Film stand. Abstraktion galt den braunen Kammeraden als Ausdruck einer „entarteten“ Kunstauffassung.

Viele der Trickfilm-Pioniere verließen das Land ins Exil. Bis heute ist die Geschichte filmischen Abstraktion in Deutschland allenfalls eine „Subgeschichte“ des Kinos geblieben. Sie aufgearbeitet zu haben, ist das Verdienst von Gerd Gockells Dokumentarfilm Murrati und Sarotti. Gockell konzentriert sich dabei nicht nur auf die großen Namen, sondern beleuchtet genauso den Werdegang weniger bekannter Künstler wie Peter Sachs, Rudolf Pfenninger oder Herbert Seggelke. Von der Stopptrick-Animation für Dr. Oetker im Jahre 1911 über Fischingers Lucky-Strike-Vorbild Murrati greift ein und die Exiljahre arbeitet sich Gockell in die biederen 50er Jahre des „Sarotti-Mohrs“ vor, um mit dem Rekurs der Hamburger Cinegrafik-Studios in den 60er Jahren auf die Avantgarde der 20er Jahre (z.B. im NDR-Filmclub-Vorspann) ein historisches und erzählerisches Ende zu finden. Aber auch den Jahren „Unterm Hakenkreuz“ ist ein Kapitel gewidmet. Dass Goebbels und Hitler große Disney-Fans waren und sich mit „Beute-Kopien“ von Schneewittchen verlustierten, ist inzwischen sattsam bekannt. Wie sie Disney Konkurrenz machen wollten, weniger: mit dem abendfüllenden Zeichentrickfilm Armer Hansi, den Gockell in Ausschnitten zeigt.

Gockells Verfahrensweise bleibt dabei dennoch weitgehend biografisch. Gelegentlich ist das etwas ermüdend – und auch schade, wenn die persönliche die ästhetische Geschichte auffrisst. Interessant aber ist vielmehr die von ihm angestrebte Einheit von Form und Inhalt: Eingebettet in eine Rahmenhandlung um ein surreales, von Fotos, Kartons und seltsamen Männchen belebtes Archiv, erzählt sich Murrati und Sarotti von als komplett animierter Dokumentarfilm. tob

 Fr, 12.5., 19 Uhr (Gast: Gerd Gockell) + So, 14.5., 19 Uhr + Mo, 15.5., 17 Uhr + Mi, 17.5. 21.15 Uhr; Metropolis

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