Kommentar: Schweiz oder Oslebs?
■ Staatsanwalt ließ Könecke freie Wahl
Wo würden Sie sich lieber zwei Jahre lang niederlassen: in Ihrem Privathaus in St. Gallen, Schweiz, oder in einer staatlichen Einzelzelle in Oslebshausen? Dumme Frage? – nicht für die Bremer Staatsanwaltschaft. Die nämlich hat im Herbst 1991 allen Ernstes geglaubt, der Bremer Wurstkönig Karl Könicke würde sich freiwillig einem Strafprozeß stellen und dann schön artig wegen „Steuerhehlerei“ hinter Gitter gehen.
Selbst wenn die ermittelnden Staatsanwälte damals nicht ganz so dumm gewesen sein sollten, dann haben sie sich zumindest verhalten, als wären sie es. Karl Könicke jedenfalls haben sie noch nichtmal soviel Aufmerksamkeit geschenkt, daß sie gemerkt hätten, wie der zunächst ein paar Millionen Mark in die Schweiz schaffte und sich ein paar Tage vor Prozeßbeginn auch noch einen nagelneuen Reisepaß besorgte
Bei jedem armen Schlucker reicht schon das Fehlen einer festen Wohnanschrift für monatelange U-Haft. Denn darin sehen die Gerichte stets eine „Fluchtgefahr“. Wer allerdings die Millionen auf seiner Seite und in Bremen eine stattliche Villa hat, den konfrontiert die Justiz nicht mit U-Haft, sondern lediglich mit einer höflichen Frage: „Worauf, bitteschön, möchten Sie die nächsten Jahre lieber blicken, auf Schweizer Berge oder Oslebshausener Gitter?“
Dirk Asendorpf
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