■ Kommentar: Freiwild Stahmer
Ingrid Stahmer hat getan, was die meisten SenatorInnen tun. Um den Etat für ihr Ressort halbwegs ungeschoren durch die nächste Haushaltsrunde zu bringen, hat die Sportsenatorin gezielt einen unrealistischen Sparvorschlag unterbreitet: Die millionenschwere Sportförderung solle fast ganz gestrichen werden. Ernst war es ihr nicht damit. Doch wenn Frauen sich der gleichen politischen Tricks bedienen wie Männer, folgt die Strafe auf dem Fuß. SPD-Fraktionschef Klaus Böger beließ es nicht dabei, in Manier des Patriarchen per Presseerklärung klarzustellen, daß der Vorschlag der Senatorin vom Tisch ist. Er schickte der Parteigenossin noch ein vernichtendes Zeugnis hinterher: Indirekt unterstellte er Stahmer mangelnde Sachkenntnis und fehlende Entschlossenheit im Handeln.
Dabei hätte sich der Eklat ohne weiteres vermeiden lassen. Böger war der Entwurf der Sportverwaltung seit zwei Monaten bekannt, die Angelegenheit hätte sich mit einem Anruf klären lassen – wenn Böger gewollt hätte. Statt dessen verschwand das Papier in der Schublade. Stahmer ihrerseits hat einen typischen Frauenfehler gemacht: Auf die unerfüllbaren Haushaltsvorgaben hat sie defensiv reagiert, statt mit einer öffentlichen Erklärung in die Offensive zu gehen. Von der SPD-Wahlschlappe 1995, die ihr zu Unrecht voll angelastet wurde, hat sich Stahmer nie wieder erholt. Als sie das Amt als Senatorin für Schule, Jugend und Sport antrat, war sie bereits angezählt. Stahmer ist in der Partei isoliert – wahrlich keine beneidenswerte Startposition. Bislang hat sie in dem schwierigen Ressort keine glückliche Hand gezeigt. Trotzdem gilt: Frauen in der Politik sind Freiwild. Es wird mit zweierlei Maß gemessen. Parlamentspräsidenten wie Herwig Haase können sich eine Pannenserie und ein Mißtrauensvotum leisten und sitzen immer noch im Amtssessel. Politikerinnen müssen damit rechnen, daß sich schon ein kleiner Fehltritt bitter rächt. Dorothee Winden
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