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KommentarSchutz der Toten

■ Die Videoüberwachung jüdische Gräber ist notwendig

Was ist das für ein Land, in der die Totenruhe durch Videokameras überwacht werden muß!

Nach dem Anschlag auf das Grab ihres langjährigen Vorsitzenden Heinz Galinski vergangenen Monat erwägt die Jüdische Gemeinde zu Berlin die Videoüberwachung ihrer Friedhöfe. Diese Reaktion ist verständlich, denn es war der zweite Anschlagsversuch auf das Grab des früheren Zentralratsvorsitzenden innerhalb weniger Wochen – offenbar brauchen selbst Tote in Deutschland Schutz.

Im früheren Land der Richter und Henker werden seit Jahr und Tag jüdische Friedhöfe geschändet: Provokationen von Judenfeinden, die meist ebenso viele Juden kennen wie Buddhisten oder Hinduisten, nämlich keinen. Antisemitismus braucht eben keine Juden.

Ist die Schändung von Friedhöfen auch für Nichtjuden eine Schande, schmerzt sie Juden um so mehr, da gerade ihnen die Totenruhe seit Jahrtausenden besonders heilig ist. Insofern ist die Überlegung, die Friedhöfe stärker zu schützen, verständlich: Hier geht es nicht nur um die Ruhe Verstorbener, sondern auch um wichtige Glaubensinhalte.

Dennoch gibt es Gegenargumente: Die Videoüberwachung ist nicht die einzige mögliche Konsequenz aus den antisemitischen Übergriffen in Deutschland. Polizisten schützen schon seit Jahrzehnten jüdische Einrichtungen, von der Synagoge, über Schulen bis zu Friedhöfen – nicht nur in Deutschland übrigens, und nicht nur vor Nazis, sondern auch vor Gewalttätern aus dem Nahen Osten, die meinen, dadurch Israels Politik treffen zu können.

Insofern wäre diese Überwachungsart nur ein kleiner Schritt mehr auf einem an sich schon ebenso traurigen wie notwendigen Weg zum Schutz der jüdischen Minderheit. Wenn es in ihr das Verlangen nach diesem Schutz gibt, sollte sich die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft ebenso dafür verantwortlich fühlen wie für den Schutz christlicher Ruhestätten – auch wenn dies kaum mehr ist als Herumdoktern an den Symptomen, deren Ursprung Antisemitismus heißt. Solange Nichtjuden ihn weiter tolerieren, ist nichts normal an Deutschland. Wer die Ruhe von Toten schändet, schreckt vor nichts mehr zurück. Philipp Gessler

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