Kommentar: Verdächtig schnell neu
■ Warum die SPD vorgibt, bereits gelernt zu haben, was sie noch lernen muss
In atemberaubendem Tempo scheinen Hamburgs Sozialdemokraten bereits dort angekommen zu sein, wo sie nie hinwollten: in der Opposition. Zumindest verbal.
Die Salven der Selbstkritik prasselten nur so auf dem SPD-Parteitag, und niemand ging in Deckung. Filz? Ja, gibt's wohl doch. Selbstherrlichkeit? Damit müsse nun aber Schluss sein. Grundlegende Fehler in Bildungs- und Sozialpolitik? Nie wieder. Wir haben verstanden, lautet die schnell formulierte Losung der neuen Sozialdemokratie.
Verdächtig schnell, verdächtig neu. Wer so flugs mit all diesen schonungslosen Analysen zur Hand ist, muss dem staunenden Publikum zunächst erklären, welcher Zaubertrank über Nacht so klug macht.
Hamburgs real existierende Sozialdemokratie hat, diesen Argwohn muss man bis zum Beweis des Gegenteils hegen, kein bisschen dazugelernt. Es ist das pure taktisch versierte Machtstreben, das sie jetzt Asche über ihre Häupter streuen lässt. Lieber morgen als übermorgen würde die SPD wieder in Hamburg regieren wollen, und sie würde sich nicht geändert haben. Denn Regeneration braucht Zeit.
Die Chance dazu hat sich die SPD selbst verdient. Die neue politische Aufgabe aber, der sie sich noch ernsthaft bewusst werden muss, lautet: hinterher sozial aufräumen. Denn an dem Scherbenhaufen, den der Rechtsblock dereinst hinterlassen wird, trägt die SPD eine gehörige Mitschuld. Durch langjährige Politik, die Schill überhaupt erst möglich machte.
Sven-Michael Veit
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