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Kommentar zur Senioren-BesetzungPankow muss rechnen

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Die Schließung des Seniorentreffs in Pankow ist kurzsichtig. Denn es handelt sich um eine funktionierende Gruppe von Menschen, die sich gegenseitig helfen.

F ast will man die ganze Geschichte mit einem freundlichen Lächeln quittieren. Rebellische Rentner recken schüchtern die Faust in die Luft, ein wenig lachen müssen sie dabei selbst. Wie ernst sie ihre Besetzung meinen, wissen sie noch nicht genau – ein Spaß ist das Ganze für die Alten jedoch nicht.

Im Gegenteil: Ihre Botschaft ist existenziell. Nur deshalb haben die SeniorInnen ein Mittel gewählt, das für Menschen um die 70 schon gesundheitlich eine große Belastung ist. Nach Jahrzehnten soll die Gemeinschaft von 300 PankowerInnen auseinandergerissen werden, weil sich der Bezirk Unterhalt und Sanierung der Villa in der Nähe des vornehmen Majakowskirings nicht mehr leisten kann.

Die Rechnung, die der Bezirk dabei aufmacht, funktioniert jedoch nicht. In der Stillen Straße geht es um SeniorInnen im Alter von 65 bis 96, die meisten sind alleinstehende Frauen, die Männer sind ihnen längst weggestorben. Vordergründig kommen die alten Damen einmal wöchentlich zur Bridge-Gruppe, die, so der Bezirk, auch Platz in der Kita finden könnte.

Großer Zusammenhalt

Tatsächlich jedoch geht es um viel mehr als ums Kartenspielen: In der Stillen Straße sind genau die sozialen Strukturen gewachsen, die ein Leben im Alter lebenswert machen. Die SeniorInnen verbringen ihre Zeit gemeinsam, ob im Garten oder beim Kaffee. Sie feiern Feste im Klub, wie sie ihn nennen, und helfen einander auch mal beim Einkauf oder der Pflege.

Üblicherweise sind für so etwas Verbände wie der Paritätische Wohlfahrtsverband oder die Caritas da, die sich um Alte und Kranke kümmern. Gegen Bezahlung, versteht sich, und sei es vonseiten des Staats. Die Stille Straße jedoch ist ein Projekt, das vollständig ehrenamtlich organisiert wird. Hier ist die Hilfe des Staats nicht nötig – weil etwas gewachsen ist, was heute, zumal in der Großstadt, in den seltensten Fällen aus eigener Kraft entsteht.

Und was macht der Bezirk? Er zerschlägt die Strukturen, die er selbst nur mühsam oder gar nicht mehr bereitstellen kann. Anstatt sich entlastet zu wissen, blendet er sogar die Konsequenzen seiner Handlung aus: Indem 300 SeniorInnen die Gemeinschaft genommen wird, werden sie in die Isolation gedrängt und letztlich, so ihre Befürchtung, krank. Bezahlen dafür wird – via Gesundheitssystem und Verbänden – der Staat.

Wie hoch die sozialen Kosten solcher Absurditäten sind, wird nicht überlegt. Pankow und viele andere Bezirke hangeln sich von einem zum nächsten Haushalt und beschließen in kurzsichtigem Klein-Klein, eine Kürzung nach der anderen umzusetzen. Nun jedoch ist der Zeitpunkt gekommen, zu rechnen: Wenn schwarz auf weiß klar wird, wie hoch die Folgekosten sind, die durch die Schließung der Stillen Straße entstehen, dann wird auch schnell klar, dass es keine Alternative dazu gibt, den Seniorentreff zu erhalten.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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1 Kommentar

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  • NG
    [Name Gelöscht]

    "Pankow und viele andere Bezirke hangeln sich von einem zum nächsten Haushalt und beschließen in kurzsichtigem Klein-Klein, eine Kürzung nach der anderen umzusetzen."

     

    Der Kommentar ist unglaublich. Wenn die Autorin so wenig Ahnung von Bezirkspolitik hat, sollte sie sich vielleicht einfach mal aus dem Thema raushalten. Mehr, als die typischen Klischees zu bedienen, bekommt sie nämlich ganz offensichtlich nicht auf die Reihe.

     

    Kein Berliner Bezirk beschließt, eine Kürzung nach der anderen umzusetzen. Haushaltskürzungen sind Vorgaben vom Finanzsenator. Diese Vorgaben SIND umzusetzen, da haben die Bezirke kein Wahlrecht. Werden die Vorgaben nicht umgesetzt, droht der Nothaushalt und im schlimmsten Falle die Zwangsbewirtschaftung durch den Senat. Was das für einen Bezirk bedeutet, sollte klar sein: keine Ausgaben mehr außer die gesetzlichen Pflichtausgaben. Viele Berliner Bezirke müssen regelmäßig Haushaltssperren verhängen und steuern im Grunde genommen auf die Handlungsunfähigkeit zu. Egal, wo der Bezirk auch immer spart - und sparen muss er, ob er will oder nicht - es wird immer die falschen treffen und es wird auch immer sozialen Folgen haben, für welche Bevölkerungsgruppe auch immer. Insofern hat man als Bezirk allenfalls die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wer will jetzt bitteschön darüber richten, ob das Übel für die Senioren größer ist, als beispielsweise für Kinder und Jugendliche, deren Freizeiteinrichtungen oder Schulen nicht erhalten werden können? Nach sozialer Gerechtigkeit schreien ist einfach, wenn aber die Bezirke sozial handeln sollen, dann muss man sie auch in die Lage versetzen, genau das zu tun.