Ich verstehe einige Kommentare zu diesem Beitrag nicht. Der Spruch "Arbeitgspflicht für Arbeitslose" ist doch schon in sich widersprüchlich. Die Arbeitslosen sind schliesslich arbeitslos, WEIL sie eben keinen Job haben oder bekommen. Und der Arbeitsmarkt verfügt über engmaschige Systeme zur Ausgrenzung (z. B. Alter, veraltetes Wissen, keine Technik-Affinität etc.) von qualifizierten und motivierten Arbeitswilligen.
Das Problem ist doch, dass durch die Einführung des Euro eine Halbierung unserer Einkünfte stattgefunden hat, unsere Einnahmen steigen nicht mehr, sondern sinken, während die Preise für Miete, Energie und Lebenshaltung kontinuierlich anziehen. Selbst die Leute, die einen Job annehmen, müssen für erheblich weniger Geld als vor Jahren arbeiten, teilweise sind Einstiegsgehälter bis zu 30 % geschrumpft.
Es ist gut möglich, dass manche diesem Stress der totalen Mobilmachung und den komplexen Anforderungen der Jobrealität nicht mehr gewachsen sind (Alter, Krankheit, Psychoterror der Vorgesetzten, Mobbing, unerreichbare Firmenziele) und ihnen auch keine Anreize geboten werden, diesen Terror weiter mit zu machen. Wie muss man drauf sein, um täglich 10 Stunden Konkurrenzkampf mit aggressiven Egomanen auszuhalten, die alle sprechen, als hätte man ihnen ein Chip implantiert? Das ist Folter.
Durch den Druck, der von Koch ausgeübt wird, wird doch nur versucht, durch Mobbing die miesen Arbeitsbedingungen, die von den Unternehmen angeboten werden, zu verschleiern und den Eindruck zu erwecken, als hätten wir uns denen zu beugen (siehe aktuell Schlecker).
Heute wird 200%iger Einsatz für 50% des Lohns gefordert, wer sich da nicht verarscht fühlt..... Und wo man sich verarscht fühlt, wird man keine Energie mehr aufbringen. Was hier läuft, ist Ausbeutung, und was heute so in den Betrieben los ist, das würde ich gerne mal wissen. Man muss sich ja nur mal die strukturelle Ungerechtigkeit des Arbeitsrechts anschauen, das dringend einer Reform bedarf. Vom Arbeitnehmer wird Loyalität gefordert, egal wie beschissen er behandelt wird. Soll das etwa gerecht sein????
Die Ungerechtigkeiten und Mängel des Systems liegen jetzt durch die geschrumpften Geldmengen offen und lassen sich nicht mehr verschleiern. Kein Geld zu verdienen, Hartz IV zu sein oder einen Vollzeitjob zu haben, bei dem man trotzdem nur 950 Euro netto bekommt, macht eben keinen grossen Unterschied mehr aus. Und dieser Unterschied, nämlich die Wahlmöglichkeit der Zugehörigkeit zur Mittelschicht durch gute Verdienstmöglichkeiten, war schliesslich der, der motiviert hat, auch nicht akzeptable Bedingungen anzunehmen. Nur für die Existenzsicherung zu arbeiten, bietet keine längerfristige Perspektive, in der sich der eigene übermässige Einsatz noch lohnen würde. Da macht man halt seinen Job 08/15 und setzt sich nicht noch weiter dafür ein, ein mieses System, bei dem nur die anderen absahnen, noch aufrecht zu erhalten. Nur noch mal zur Erinnerung: Frauen erhalten bis zu 25 - 30 % weniger Gehalt als Männer bei gleicher Tätigkeit. Wieso soll frau solche Strukturen akzeptieren?
Was Koch stört, ist die mangelnde soziale Kontrolle von Leuten, die aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Dann kommt immer der verlogene Spruch, die arme Frisörin zahle für den ALGII-Empfänger. Ja, wenn das so ist und allgemein als unterecht empfunden wird, dann sollte man halt das System ändern, der Frisörin mehr bezahlen oder, noch viel besser, die Unternehmen mit einer Zwangsabgabe dafür blechen lassen, dass sie keine korrekten Arbeitsplätze schaffen, oder mal die Banken dazu verdonnern, aber nicht die, die unter den Verhältnissen leiden, noch zu Tätern stilisieren. Die haben nix mehr, was sie einbringen können. Das Mitmachen hat man ihnen teilweise von vornherein verwehrt oder sie durch den Berufsalltag fertig gemacht. Fragt mal die Arbeitsgerichte, was da an Verfahren anhängig ist, Leute los zu werden, die sich noch eine eigene Meinung erlauben und sich der täglichen Gehirnwäsche nicht ergeben.
Koch ist sicher nicht weit davon entfernt, demnächst auch noch Arbeitslager zu fordern. Die grundgesetzlich garantierte Würde des Menschen macht in diesem Land offensichtlich vor dem Einkommen halt. Es ist ein Skandal, dass bundesdeutsche Bürger durch die Höhe ihrer Einkünfte gesellschaftlich gruppiert werden und nicht mehr der Mensch mit individueller Leistung im Vordergrund steht. Sie durch Hartz IV gesellschaftlich zum Ausschuss zu erklären und dann zu sagen, sieh doch zu, wie du da wieder raus kommst, damit du weiter am Konsumterror teilnehmen kannst, ist ein Zynismus sondergleichen. 'Wahrscheinlich ist das deutsche Mentalität, anders kann ich mir nicht erklären, warum sich dagegen niemand empört. Wehret den Anfängen!
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